Der erste Satz ist der Beginn der ikonischen Parabel „Die Verwandlung“, in der sich ein braver Handlungsreisender in einen Käfer verwandelt. Mit dem zweiten Satz beginnt „Der Prozess“, in dem ein von einem imaginären Gericht angeklagter Mann versucht, die Schuld, die ihm angelastet wird, zu ergründen. Gar nicht zum Lachen. Franz Kafka gilt zurecht als düsterer Autor. Sein Freund und Nachlassverwalter Max Brod allerdings schrieb von heftigen Lachanfällen, die Kafka gehabt haben soll, als Brod ihm laut aus dem ersten Kapitel seines Romans „Der Prozess“ vorlas.
Aber was heißt das schon. Wenn einer lacht, heißt das noch lang nicht, dass er deshalb nicht finster ist. Kafka empfand sein Dasein als schreckliches Doppelleben, wie in seinen Tagebüchern zu lesen ist. Trotzdem, so Brod, lachte er gern und soll auch andere oft zum Lachen gebracht haben. Nachzulesen ist das jetzt unter anderem in den Neuerscheinungen von Nicolas Mahler ("Kafka für Boshafte“ und "Komplett Kafka". Mahlers Auseinandersetzungen mit Briefen und Tagebüchern Kafkas ist auch Teil einer Ausstellung, die im Wiener Literaturmuseum ab 29. Mai bis Jahresende zu sehen sein wird: Franz Kafka – Die Gegenwart ist gespenstisch nimmt die bis heute Rätsel aufgebende zentrale Figur der literarischen Moderne aus verschiedenen medialen Perspektiven unter die Lupe. Angekündigt ist dabei auch ein Film über die letzten Orte des Schriftstellers.
Apropos: Franz Kafka, 1883 als Sohn jüdischer Eltern in Prag geboren, verbrachte die meiste Zeit seines kurzen Lebens (er starb mit 41 Jahren an Herzversagen) in Prag. (Wien hasste er erklärtermaßen: „Mein letzter Rat in dieser Sache bleibt immer: Weg von Wien“, zitiert Mahler den Spötter Kafka).
Dienstälteste Kafkawitwe
Die fotografische Spurensuche Kafkas Kosmos von Helmut Schlaiß führt beschaulich-finster, wie man es aus dem bekannten Kafka-Universum gewohnt ist, zu Lebensschauplätzen des Dichters: Durch die Gassen und auf die Plätze der Prager Altstadt, zum Geburtshaus, zum Gymnasium und zu Wohnhäusern Kafkas, in historische Kaffeehäuser und Kinos, auf den alten jüdischen Friedhof, zur Moldau und auf den Laurenziberg.
Ähnlich Klaus Wagenbachs Reisebuch Kafkas Prag, eine Wiederentdeckung. Der vor zwei Jahren verstorbene deutsche Verleger und Autor hat sich (neben der Spezialisierung auf italienische Literatur) mit seinem Verlag ganz besonders um Kafka verdient gemacht. Klaus Wagenbach bezeichnete sich übrigens als „dienstälteste aller Kafkawitwen“. Über Kafka schrieb er liebevoll, dieser sei ein notorischer „Herumtreiber“ auf den Plätzen und Straßen seiner Heimatstadt gewesen. Neben der nun aktualisierten Neuausgabe von Kafkas Reisetagebuch erscheint im Februar auch das Fotoalbum Kafkas Familie des Literaturwissenschafters Hans-Gerd Koch in einer Neuauflage.
Zu den vielen Wiederentdeckungen und Neuerscheinungen im Kafka-Jahr gehören auch Comics: Im Knesebeck-Verlag ist eine gezeichnete Version von Kafkas Erzählung Die Verwandlung der französischen Zeichnern Richard Horne und Éric Corbeyran erschienen. Bei aller Bildgewalt: An die Bilder, die man sich beim Lesen dieser Geschichte selbst macht, reicht sie nicht heran. Denn das Schreckliche an dieser Geschichte ist ja nicht die relative Hässlichkeit des Käfers.
Kafka hatte übrigens bereits vor der Publikation der „Verwandlung“ befürchtet, dass Illustratoren dazu allerhand Ideen haben würden. „Das nicht, bitte das nicht! Das Insekt selbst kann nicht gezeichnet werden“, schrieb er seinem Verleger angesichts der Vorahnung, dass womöglich ein Käfer das Cover zieren würde.