Doch als Bomben auf Rom fallen und jeder um sein Leben rennt, schert sich niemand mehr um Moral. Idas älterer Sohn Nino luchst ihr die letzte Lira ab, bevor er verschwindet und sie in einer Obdachlosenunterkunft Zuflucht findet. Bis zuletzt wird sie darum kämpfen, ihre Kinder durchzubringen.
Elsa Morante (1912–1985) ist neben Natalia Ginzburg die bedeutendste Schriftstellerin der italienischen Nachkriegsliteratur. Autorinnen wie Elena Ferrante und Francesca Melandri zehren von ihrem Erbe. Von der Art und Weise, wie sie die große Geschichte anhand individueller Schicksale in einfacher Sprache erzählt und so zu einer ganz persönlichen Angelegenheit macht. Wenngleich sie sich manchmal in Details verliert, etwa, wenn sie Kindersprache imitiert, die auch in der Neuübersetzung von Klaudia Ruschkowski und Maja Pflug gewöhnungsbedürftig ist. Trotzdem: Man lebt und weint mit ihrer gebeutelten Protagonistin Ida mit.
Morante, die mit ihrem Mann, dem Schriftsteller Alberto Moravia, lange auf Capri lebte – die Insel war in den 1940ern tatsächlich ein Ort, um günstig über die Runden zu kommen –, gelang mit „La Storia“ ein Riesenerfolg. Unter Italiens Intellektuellen, darunter Pier Paolo Pasolini, war die Begeisterung enden wollend. Ein erheblicher Teil der Kulturelite, die, ebenso wie in Frankreich, dem Marxismus huldigte, fühlte sich verraten. Denn Morante idealisiert die Kommunisten keineswegs. Bei ihr kommen alle gleich schlecht weg. Idas Sohn Nino, zunächst noch Duce-Fan, wechselt das schwarze Hemd scheinbar aus einer Laune heraus für die rote Flagge und schließt sich den kommunistischen Partisanen an, die ebenso brutal vorgehen wie die Faschisten. Und die kritiklose Russland-Treue nimmt auch komische Züge an – wenn etwa eine rot gestreifte Katze den Namen „Russia“ trägt. Für Morante, selbst großer Katzenfan, wahrlich ein besonderes Detail.