Ein Western, in dem nur das Kamel als sichere Heimat bleibt

Ein Western, in dem nur das Kamel als sichere Heimat bleibt
Die Amerikanerin Téa Obreht und "Herzland": Magisch und realistisch und geschniegelt

Fein wäre dieses Bild in einem der verlogenen, tollen Filme gewesen: John Wayne jagt in Arizona um 1890 ein vermeintliches Monster, und dann steht er ihm gegenüber: Es ist ein Kamel. Ein Kamel im Wilden Westen.

Das wäre realistisch gewesen. Historisch, im Gegensatz zu den vielen Legenden. Denn es gab das U.S. Camel Corps für Transporte in amerikanischen Wüstengebieten. 33 Kamele waren von der Armee gekauft worden.

Im Roman „Herzland“, der ein Western ist, spielt ein altes Kamel eine tragende Rolle, und man denkt, bevor man im Internet recherchiert, das sei genauso eine Fantasie wie: Die beiden Hauptfiguren sehen Tote (= die anders Lebenden) und reden mit ihnen. Magischer Realismus.

Außenseiter

Erste Hauptfigur ist Nora, eine toughe Farmerin mit vielen Kindern, der Ehemann ist verschwunden, die älteren Söhne sind auch oft weg, aber Nora managt alles. Sie sorgt trotz Dürre und streitbarer Viehzüchter fürs Überleben der Familie. Eine Außenseiterin, allerdings harmlos im Vergleich zu Lurie.

Lurie heißt eigentlich Djurić und stammt aus Mostar. Er ist eine Bereicherung fürs Westerngenre. Als Bub in Arizona schloss er sich einer Bande an. Wurde Räuber. Wurde Mörder. Versteckte sich als Kameltreiber im Carmel Corps. Sein Kamel ist – Obreht hat es im Interview mit dem Magazin Buchkultur erklärt – die verbliebene Heimat, nur dieses Kamel gibt ihm noch Sicherheit.

Zu Lebzeiten kommen Nora und Lurie nie zusammen. Die Erzählstränge aber werden von Téa Obreht (Foto oben) gebündelt. Die Idee, die die Amerikanerin – 1970 in Belgrad geboren – für den Schluss hatte, ist grandios.

„Herzland“ – ein Roman, in dem man versinken kann. Dass man sich’s gemütlich machen kann, verstört allerdings: „Herzland“ wirkt geschniegelt, gestriegelt. Die Sprache wurde fein zurecht gemacht. Eine fluchende Calamity Jane ist nicht zu hören.

Immerhin darf das Kamel stinken. Das war mit ein Grund für die Auflösung des Camel Corps.

Fein wäre dieses Bild: John Waynes Pferd bäumt sich auf, der Held stürzt in den Staub, das Pferd wiehert, das Kamel schreit.

 

Téa Obreht:
„Herzland“
Übersetzt von Bernhard Robben.
Verlag
Rowohlt Berlin.
512 Seiten.
24,70 Euro

KURIER-Wertung: ****

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