Der Roman "Adas Raum": Überkandidelt mit Besen und Türklopfer

Der Roman "Adas Raum":  Überkandidelt mit Besen und Türklopfer
Sharon Dodua Otoo ist die Bachmann-Preisträgerin 2016. Sie begleitet Frauen durch die Jahrhunderte

 Es ist etwas überraschend, wenn ein westafrikanischer Besen – ein aus Palmblättern gefertigter – zu uns spricht:

„Ich merkte, wie sie sich ärgerte, weil sie mich fester umklammerte.“

Der Nächste, der sich meldet, ist ein englischer Türklopfer aus Messing in Form eines Löwenkopfes. Er sieht den Ehemann der Baronin aus der Villa rennen und sagt:

„Von der Haustür aus hatte ich einen ausgezeichneten Blick auf Charles’ wütenden Abgang.“

Es wird auch noch eine Zimmerwand im Bordell des Konzentrationslagers Buchenwald etwas zu erzählen haben ... ehe ein Windhauch verrät: Er war’s, der Atem Gottes sozusagen, der alle Dinge zum Leben erweckte.

Ablenken

Im Kleinen war das früher einmal eine originelle Idee:

Der Weinviertler Schriftsteller Reinhard Wegerth etwa erzählte aus seinem Leben, indem er Dinge reden ließ, die ihn begleitet hatten – zum Beispiel:

Ein Beichtstuhl hat Mitleid mit Kindern, die „unkeusch“ waren, der Wahlkampfspruch „Ein echter Österreicher“ (von Klaus gegen Kreisky gerichtet) findet sich selbst idiotisch.

Aber in „Adas Raum“ wirkt es überkonstruiert. Lenkt ab. Es gibt ohnehin viel, worauf man bei Sharon Dodua Otoo – Bachmann-Preisträgerin 2016 – achten muss.

Raum geben

4 x Ada.

Ada = DIE Frau generell. Aber es gibt auch eine spezielle Ada, die im Lauf von sechs Jahrhunderten wiedergeboren wird – eine Perlenkette, die vom Jahr 1459 in die Gegenwart von Ada zu Ada gereicht wird, will uns das sagen. Otoo – geboren in London, wohnhaft in Berlin – zeigt, in welch engen Räumen sich Frauen unter unangenehmer Anwesenheit von Männern bewegen mussten /müssen:

Ada, die afrikanische Mutter, die von Kolonialherren entführt wird.

Die historische Ada Lovelace, belächelt, obwohl sie schon um 1840 ein Computerprogramm entwickelte.

Ada, zur Prostitution im KZ gezwungen, mit dem wenigsten Platz. Als sie flüchtet, wird sie ermordet.

Und Ada in Berlin: Eine Schwarze, hochschwanger, sucht – Raum: eine Wohnung.

Am Anfang sind die Geschichten getrennt, sie laufen zusammen. Es läuft etwas Herausforderndes zusammen, sprachlich Schönes – und Überkandideltes. Man sehnt sich nach Einfachheit.

 

Sharon Dodua Otoo:
„Adas Raum“
S.Fischer
Verlag.
320 Seiten.
22,90 Euro.

KURIER-Wertung: *** und ein halber Stern

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