Eines ist Curzio Malapartes „Die Haut“ gewiss: eines der furchtbarsten, grauenhaftesten und zugleich großartigsten Bücher des 20. Jahrhunderts.
Erstmals 1949 veröffentlicht, erzählt es von den Schrecken des Krieges aus Sicht eines Icherzählers namens Curzio Malaparte, ehemaliger Kriegsberichterstatter, Schriftsteller („Kaputt“), Besitzer der Villa Malaparte auf Capri (die später Drehort des Godard-Films „Die Verachtung“ wurde) sowie italienischer Verbindungsoffizier zu den Amerikanern. Soweit, so übereinstimmend mit der Realität.
Ort der Handlung, besser: Ort des Schreckens ist Neapel, „die geheimnisvollste Stadt Europas, die einzige der Antike, die nicht unterging“. Neapel, so schreibt Malaparte, sei ein „rätselhaftes Abbild“, ein „nacktes Gespenst“ Europas, und die Amerikaner hätten sich wohl keinen gefährlicheren Ort für ihre Ankunft in Europa aussuchen können.
Zwei Wochen nach der Landung der Alliierten auf Sizilien 1943 herrschen katastrophale Verhältnisse in Italien. Das faschistische Regime ist gestürzt, die politische Lage unübersichtlich, die Versorgungslage verheerend, die Menschen hungern. Malaparte, den amerikanischen Offizier Jack an der Hand, eröffnet den Neuankömmlingen, die sich rühmen, Europa gerettet zu haben, nun das Ausmaß des Schreckens. Detailreich schildert er Szenen des Sterbens, erzählt von schwer verletzten Soldaten, vom lavaspeienden Vesuv und von Müttern, die ihre Kinder verkaufen.
Immer wieder zitiert er Bilder aus der Kunstgeschichte, und seine wort- und bildgewaltigen Beschreibungen klingen selbst wie eine Mischung aus Caravaggio und Hieronymus Bosch. Junge Mädchen werden gekocht und serviert, Menschen hängen gekreuzigt in den Bäumen, und die titelgebende „Haut“ ist Menschenhaut, die auf der Straße klebt.
Malaparte provoziert, er fabuliert, er schreibt sich in ein Delirium. Über die Amerikaner macht er sich lustig, die Italiener kommen in dieser apokalyptischen Groteske auch nicht gut weg. Ein mustergültiger Skandalroman, formidabel neu übersetzt von Frank Heibert.