In der Wiener Semmelweisklinik gab’s früher eine „Frauenmilchsammelstelle“, die Milch von Frauen, die zu viel davon hatten, sammelte und an jene verteilte, die zu wenig hatten. Heute wird die Milch in Humanmilchbanken, die meist an Spitäler gekoppelt sind, weitergegeben. Anders in den USA: Da gibt es private Kliniken, die ein gutes Geschäft damit machen. Eine solche steht im Zentrum von Clemens Bergers Roman „Haus des flüssigen Goldes“.
Hier werden Frauen, die nicht im Geld schwimmen, am Verkauf ihrer Milch gewinnbeteiligt. Das funktioniert, bis die Milchpulverkrise kommt. Nun heißt es, im „Haus der Gier“ werde Humanmilch zu horrenden Preisen verkauft, während „ringsum Kinder hungern“. Bergers Protagonistin Maya, die bisher gut vom Verkauf ihrer Milch lebte, schlägt sich auf die Seite der Protestierenden, als diese ihr ein weinendes Baby vor die Nase legen. Maya kann nicht anders, als es zu stillen. Eben noch als „Milchteufel“ beschimpft, wird sie zur Heldin und wie ein Rockstar gefeiert. Statt 7.000 hat sie nun 5 Millionen Follower auf Instagram.
Tatsächlich ist diese Story nicht aus der Luft gegriffen. In den USA wurde 2022 das Pulver für Säuglingsmilch knapp, junge Eltern gerieten in Panik. Berger beschreibt anhand dieser Krise aber vor allem die Mechanismen hysterisierter Medien, allen vor der „sozialen“. Und nein, eigentlich ist dieser schlaue, unterhaltsam zu lesende Roman keine Satire, sondern eine Horrorgeschichte.