Clemens Berger: Stadtschreiber wartet auf seinen Einsatz

Clemens Berger: Stadtschreiber wartet auf seinen Einsatz
Der in Oberwart aufgewachsene Schriftsteller hat ein interessantes Engagement in der deutschen Stadt Weißenburg angenommen.

Eigentlich sollte Clemens Berger schon bald beginnen, seine Koffer zu packen. Der Schriftsteller mit burgenländischen Wurzeln ist nämlich neuer „Stadtschreiber“ im deutschen Weißenburg (Franken – rund 20 Fahrminuten südlich von Nürnberg) und soll in dieser Funktion auch drei Monate lang seinen Wohnsitz dorthin verlegen. Die Corona-Krise kam auch ihm in die Quere. Also bleibt Berger mit Frau und sechs Monate altem Baby vorerst in Wien – geplanter Abreisetermin: Juni.

„Ich gehe einkaufen, auch für ältere Nachbarn“, erzählt er am Telefon aus der häuslichen Isolation. „Eine sehr erfreuliche Entwicklung in dieser sonst so unerfreulichen Situation, dass die Menschen wieder mehr aufeinander achten. Ich hoffe, das ist eine Chance, auch nach Ende der Maßnahmen ein Umdenken zu bewirken. Es soll und darf eben nicht weitergehen wie immer – mit Kapitalismus und Klimakrise.“

Kleinstadt-Leben

In seiner Funktion als Stadtschreiber wird Bergers Aufgabe darin bestehen, ein Theaterstück mit Bezug zu Weißenburg zu verfassen. Österreichische Literaten scheinen dabei hoch in der Gunst der Stadtverwaltung zu stehen, denn ein prominenter Vorgänger Bergers war der Oberösterreicher Franzobel.

„Das Leben in einer Kleinstadt kenne ich ja ganz gut“, sagt Berger. „Bis zu meinem Studium habe ich in Oberwart gewohnt, Weißenburg ist ungefähr doppelt so groß.“ Und er berichtet: „Das Ganze ist ein Gemeinschaftsprojekt. Örtliche Tischler bauen zum Beispiel die Kulissen. Franzobels Stück war eine 400.000 Euro-Produktion.“

Clemens Berger: Stadtschreiber wartet auf seinen Einsatz

Clemens Berger bei der Vertragsunterzeichnung als Stadtschreiber in Weißenburg

Entstanden ist die Idee als Initiative eines Buchhändlers, eines Journalisten und eines Unternehmers. Bis Ende des Jahres sollte mein Stück fertiggestellt sein, aufgeführt wird es dann 2022, erzählt Berger. Im sogenannten Bergwaldtheater in Weißenburg für mehrere Tausend Zuschauer, von Profi-Schauspielern gemeinsam mit Laiendarstellern aus der Stadt. Eine der Schauspielerinnen wird Bergers Freundin Katharina Susewind, eine gebürtige Berlinerin und unter Claus Peymann Mitglied des Berliner Ensembles, sein.

In der Zwischenzeit arbeitet der Oberwarter an seinem neuen Roman „Der Präsident“, der im August im Residenz Verlag erscheinen soll. „Ob das alles jetzt so möglich ist, wird sich aber erst zeigen“, gibt er sich abwartend.

Tipps für Lesefreunde

Literaturtipps für die Zeit zu Hause hat Berger ebenfalls parat: „Ich habe derzeit auch mehr Zeit zum Lesen und habe mir ein dickes Buch vorgenommen: ‚Für immer die Alpen‘, der Debütroman Benjamin Quaderers – sehr lustig, wunderbar erzählt. Es geht um Liechtenstein, Briefkastenfirmen und schwarze Konten, um Steuerbetrug und denjenigen, der ihn publik machte. Ein großer Lesegenuss. Dann las ich den wunderbaren und beklemmenden Roman ‚Metropolis‘ von Eugen Ruge, in dem er die Geschichte seiner Großmutter rekonstruiert, die als junge Kommunistin aus Deutschland in die Sowjetunion ging und sich während der stalinschen Schauprozesse plötzlich mit ihrem Mann im Hotel Metropol wiederfindet – ohne zu wissen, wie es mit ihnen weitergeht, während ringsum Genossen und Bekannte verhaftet und als Spione verurteilt werden.“ Und natürlich legt er seine „dickeren Bücher“ ans Herz: „‚Im Jahr des Panda‘, das es derzeit nur als eBook gibt, und ‚Das Streichelinstitut‘ – besonders für einsame Tage, das als Taschenbuch erhältlich ist.“

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