Barbi Marković: „Donald Duck? Moralisch fragwürdig!“
"Guten Tag. Ich sitze schon drinnen. Pullover mit Kuhmuster.“ Eine SMS von Barbi Marković kurz vor dem Treffen im Café Prückel. Der persönliche erste Eindruck bestätigt, was die SMS erahnen ließ. Die Frau (sie trägt Kuhmuster) ist witzig und pragmatisch.
Das lässt sich auch von ihrem Schreiben sagen, etwa im jüngsten Roman „Minihorror“. Da wird das ganz Große lakonisch und beinahe beiläufig erzählt – wenn etwa ein Mann mit großem Schrecken feststellt, „dass die Arbeit sein Leben gefressen hat“ und er bald darauf um die Ecke biegt und „die Geschichte verlässt“. „Aber wir sind alle noch da, und jemand weint im dunklen Zimmer, die Tränen tropfen auf die Tastatur (...).“
Dieser jemand, das ist Mini, Protagonistin Nummer eins im Episodenroman „Minihorror“. Barbi Markovićs bisher erfolgreichstes Buch. Es erzählt von großen und kleinen Albträumen des Mittelstandes: Großraumbüro, Familienfrühstück, gescheiterter Urlaub. Eine Kombination aus Horror in Wien und Horror am Land.
Hauptfigur Nummer zwei ist ein gewisser Miki – die serbische Schreibweise für Micky Maus: Barbi Marković stammt aus Belgrad. Warum Comic-Figuren und warum ausgerechnet der tüchtige Miki, der doch so gar nicht zum oft als künstlerisch interessanter wahrgenommenen Antihelden taugt? „Ich war immer ein Fan von Miki, im Gegensatz zu Donald Duck, der ein moralisch fragwürdiger Choleriker ist und den ich als Figur nicht vertreten kann. Miki war immer eine stabile Figur, die sich bemühte, nett zu anderen zu sein.“
Und dann war da die Identifizierungsmöglichkeit. Der Vorgängerroman von „Minihorror“, „Die verschissene Zeit“, begleitet junge Leute durch das Belgrad der Neunzigerjahre. Er stieß auf positive Resonanz, ließ aber auch eine gewisse Distanzierung zu den Figuren zu, sagt Marković – es war eben von „anderen“ die Rede. Autochthone Österreicher als Protagonisten sind für sie aber „unmöglich – dafür bin ich keine Expertin“. Also musste es Miki sein. Der ist allen nahe.
„Das ist mein Ding“
Weit vor Miki und Mini war Thomas Bernhard. Geboren 1980 in Belgrad, studierte die seit 2006 in Wien lebende Autorin Germanistik. „Ich hab schon als Kind Geschichten erfunden. Das Erzählen war immer mein größter Erfolg. Schon mit sieben hab ich gewusst: Das ist mein Ding.“ Größte Förderin war die Mutter, die selbst Gedichte schrieb. Als Kind liebte sie griechische Sagen und blutrünstige Märchen aus Argentinien. „Ich hab viel experimentiert. Manche Lehrer mochten das, andere haben es nicht verstanden.“
In der Teenager-Zeit kamen dann Kurzgeschichten von Thomas Bernhard. In Belgrad zwar nicht Schullektüre, aber die ältere Schwester eines Freundes „kannte die ganzen guten Bücher, die haben wir dann auch gelesen.“ Schicksalhaft: 2009 wurde Marković mit dem Thomas-Bernhard-Remix-Roman „Ausgehen“ bekannt.
Seit ihrem zweiten Roman schreibt sie auf Deutsch. Wer ihr zuhört: Es ist ist perfekt, ihr zarter Akzent undefinierbar und sehr charmant. Akzente und Dialekte beschäftigen sie. Schreibt sie auch Tagebuch auf Deutsch? „Ich schreib gar nix mehr, das nicht in einem Auftrag ist“, sagt sie und lacht.
Sprache ist auch Thema in „Minihorror“: Protagonistin Miki kämpft sich durch die lokale Sprechweise einer österreichischen Kleinstadt. „Bisch verknallt in mi, oder was?“
Barbi Marković lacht viel, während sie erzählt. Und überrascht mit jedem Satz. Ein Libretto hat sie gerade geschrieben: „Ich habe eine geheime Tanzopernkarriere in Holland.“ Bereits das fünfte einschlägige Projekt gemeinsam mit einer befreundeten Choreografin. Die Oper wird eine Faust-Bearbeitung namens „Deadly Poodles“.
Der Kollateralschaden
Demnächst kommt ein Fußballbuch. „Ich konnte zu diesem Projekt nicht Nein sagen. Mein Vater kommt darin vor. Er ist ein richtig netter Fußballfan, der nicht für eine bestimmte Mannschaft ist, sondern einfach das Spiel an sich schätzt. Als Kollateralschaden habe ich meine halbe Kindheit im Fußballstadion in Belgrad verbracht. Ich habe mich sehr gelangweilt. Somit wird das wohl ein Fußballbuch über eine schreckliche Kindheit in der verfallenden Stadt Belgrad. Geschrieben aus der Perspektive von jemandem, der überhaupt nicht am Fußball teilnimmt.“ Sie habe gerade große Freude an dem Projekt. So geht es ihr mit dem Schreiben an und für sich. „Ich plage mich eher, wenn ich nicht schreibe. Da denk’ ich mir oft, ich bin schlecht. Während ich schreibe, habe ich Spaß. Ich leide nur außerhalb der Arbeit. “