Mit ihrem alten Freund Thierry, einem franko-algerischen Dokumentarfilmer, begibt sie sich auf Entdeckungsreise. Begleitet ihn durch die Vorstädte des Départements Seine-Saint-Denis, über die properen, Einfamilienhaus gesäumten Vororte hinaus zu den Autobahnzubringerschleifen, den Wellblechdörfern und den Sperrmüllhalden, die sich vor Wohnanlagen türmen. Wo sogenannte chouffeurs, gewerbsmäßige Späher in Plastiksesseln herumlümmeln und Dealer vor der Polizei warnen, und wo es kaum Geschäfte, aber Hühnerspieße, gegrillt auf umfunktionierten Einkaufswagen, zu kaufen gibt.
Doch „Bannmeilen“ ist kein Touristenausflug durch ein Inferno, nach dem man wieder ins Bobo-Zuhause zurückkehrt. Anne Weber erzählt sachte, leise-humorvoll und sorgfältig von der Erkundung einer neuen, widersprüchlichen Welt. Ohne zu urteilen, ohne Schwarz-Weiß zu malen. Natürlich: Die Gigantomanie des sozialen Wohnbaus, das Arbeiter- und Einwanderelend, der Drogenhandel. Aber da ist noch so viel mehr. Sie berichtet etwa vom algerischen Olympiasieger, der auf dem von Müllhalden umgebenen muslimischen Friedhof von Bobigny begraben ist. Jene ehemalige Industriehochburg, wo Asterix-Schöpfer Albert Uderzo aufwuchs und wo man unlängst Reste eines gallischen Dorfes fand. Und wo jetzt für Olympia 2024 gebaut wird.
Und immer wieder ist da dieses Café, wo der schweigsame Rachid seine Gäste versorgt, die wohl nicht viel im Leben haben, aber einander mit Handschlag begrüßen. Am Ende liest die Erzählerin in einer Kirche linkisch hingekritzelte Fürbitten und schließt sich ihnen an: „Lieber Gott, beschütze bitte ... “ – ja, auch Rachid und seine Kneipengemeinde. BB