Alois Hotschnig: Heilendes Erzählen über Mutter und die Vätern

Alois Hotschnig: Heilendes Erzählen über Mutter und die Vätern
"Der Silberfuchs meiner Mutter" ist das Leben des Vorarlberger Schauspielers Heinz Fitz. Eine Plauderei

Alois Hotschnig wartet, bis er von einer Geschichte ausgesucht wird.

Er wird ausgesucht.

Das kann bei dem Kärntner und Wahl-Innsbrucker lange dauern. Erster Roman: „Leonardos Hände“ (1992). Zweiter Roman: „Ludwigs Zimmer“ (2000).

Jetzt hat ihn die Lebensgeschichte des Vorarlberger Schauspielers Heinz Fitz, 79 Jahre alt, eindringlich aufgefordert, sie festzuhalten.

Nur ein Scheck

Im Plauderton.

In etwa so, wie Fitz sie Alois Hotschnig über viele Jahre hinweg erzählt hat. In Form gebracht freilich, damit Höhepunkt ist, wie Fitz seinem leiblichen Vater gegenübersteht.

Er war schon 60, sein Vater um die 80. Der Vater sagte nichts, er steckte dem Sohn einen Scheck zu.

Das Besondere ist, wie sich im Laufe der Zeit (während des Romans) einiges als falsch herausstellt. Aber damit hat alles angefangen:

Eine Norwegerin war 1942 in Kirkenes, ganz im Norden, mit einem Soldaten der Wehrmacht verlobt.

Als „Deutschenflittchen“ flüchtete sie ... zu den Nazis.

Der Soldat organisierte ihre Reise zu seiner Familie nach Hohenems. Dort kam Heinz Fitz zur Welt – als „Kind guten Blutes für Deutschland“ (Lebensborn).

In Vorarlberg nannte man seine Mutter „Norwegerhure“ und sagte: „Du nicht Deutsch können! Du wieder gehen!“

Über den Vater wurde gelogen: Ein Russe sei’s gewesen – aber ertrunken.

In Wahrheit kehrte der österreichische Soldat nach Hohenems zurück und heiratete eine andere.

Die Norwegerin bewahrte den Silberfuchsmantel auf, den er ihr geschenkt hatte. Viele Besatzungssoldaten schenkten Silberfüchse.

Anfälle

In Lustenau trat ein Stiefvater ins Leben und gab Heinz Unterricht im Töten. Kaninchen wurden erschlagen, Katzenbabys an die Wand geworfen, Hühner torkelten – schon geköpft – durch den Hof. Heinz Fitz sagt, er hätte damals problemlos Menschen töten können.

Mutter war Epileptikerin und oft in der Psychiatrie. Heinz wagte sich, nachdem er in einer Stickerei und in der Altenpflege gearbeitet hatte, in eine Schauspielschule – wobei er bei der Aufnahmeprüfung eindrucksvoll einen epileptischen Anfall mit anschließendem Lachen der Mutter zum Besten gab ...

Reicht das, um zu wissen, dass man mehr wissen will?

Kann ja sein, dass für Hotschnig „Der Silberfuchs meiner Mutter“ nicht die schwierigste literarische Aufgabe war. Falls Heinz Fitz ein ähnlich guter Erzähler ist, wie es im Buch klingt.

Für Fitz war es jedenfalls heilsam, sich so weit zu öffnen. Sagt er selbst.

Für seine Rolle in „Otto Neururer – Hoffnungsvolle Finsternis“ wurde er vom Filmfestival in Southampton als bester Schauspieler ausgezeichnet.

Für die Rolle als ums Verstehen bemühter Sohn wird man freilich den Autor beklatschen.

 

Alois
Hotschnig:
„Der Silberfuchs
meiner Mutter“
Kiepenheuer
& Witsch.
224 Seiten.
20,95 Euro

KURIER-Wertung: **** und ein halber Stern

Kommentare