Ein Forum für einen "Bürger zweiter Klasse"

Sascha Ö. Soydan trägt Breiviks Pamphlet vor
Die Rede, die Attentäter Breivik bei seinem Prozess in Oslo gehalten hatte, wurde in Wien als Lesung inszeniert.

In mancher Hinsicht war es ein Theaterabend wie jeder andere. Vor dem Eingang unterhielten sich Gäste über die weitere Abendgestaltung.

Im Verlauf der Lesung wurde manches Sitzfleisch müde, wetzte ungeduldig auf dem Stuhl hin und her. Es gab Tonprobleme. Zwischendurch meldete sich ein Handy.

Alles ganz normales Theater – bis auf den Autor der Veranstaltung. Urheber des Textes, der am Mittwoch in der Aula der Akademie der bildenden Künste gelesen wurde, ist der norwegische Attentäter Anders B. Breivik, der im Juli 2011 77 Menschen getötet hatte. Die Rede, die Breivik zu Beginn seines Prozesses in Oslo gehalten hatte, wurde vom Schweizer Regisseur Milo Rau als Lesung inszeniert, im Vorjahr in Weimar uraufgeführt und nun auf Einladung der Garage X nach Wien gebracht.

Die deutsch-türkische Schauspielerin Sascha Ö. Soydan las den Text des Attentäters, der sich auf quälende eineinhalb Stunden ausbreitete, betont emotionslos.

In der Rede rechtfertigte sich Breivik für seine Taten. Es sei ihm immer nur um die Rettung Norwegens gegangen. Das sind die wenigen offensichtlich psychopathischen Momente in Breiviks Argumentation.

Der Großteil ist eine Anklage gegen Medien, Politik und Islam, wie man sie alltäglich zu hören bekommt. Ein finsteres Potpourri aus Warnungen vor „Kulturmarxismus“ und „Multikulturalismus“. Tenor: „Wer die Wahrheit sagt, wird als Nazi abgestempelt.“ Das Lamento, das überall Verschwörungen wittert, hört sich an, wie vieles, das (nicht nur) Rechtsparteien in Europa und ganz besonders in Österreich predigen.

Online-Foren

Es klingt auch wie vieles, das man täglich in der Straßenbahn hört und in Online-Foren liest. Die Warnungen vor dem Islam. Vor dem Untergang „unserer“ Kultur. Dass die Medien an allem schuld seien. Dass man bald „Minderheit im eigenen Land“ werde. „Wir, die Bürger der zweiten Klasse.“

„Wenn man 30 bis 40 Sätze wegstreicht, kann das der Fraktionsvorsitzende der FPÖ im Wiener Landtag auch halten“, sagte der Publizist Robert Misik in der anschließenden Diskussion. Das Alltägliche an diesem Entsetzlichen darzustellen, war auch die Intention des Regisseurs, der weitere Aufführungen u.a. in Brüssel und Oslo plant.

Letztlich bleibt es bei der alten Diskussion: Ist sinnvoll, Derartigem ein Forum zu geben? Wer dort war, brauchte diesen Abend eher nicht. Und die anderen– waren wahrscheinlich nicht dort.

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