"Blue Jasmine": Depression in Chanel

Cate Blanchett brilliert als alkoholgeschwängerte Lady, die aus der New Yorker Upper Class ins Arbeiterviertel abstürzt: „Blue Jasmine“
Woody Allens neue Tragikomödie zeigt den Vielarbeiter wieder in besserer Form + "Fack Ju Göhte" + "Michael Kohlhaas"

Nach seinem letzten, abgewirtschafteten Stadtbesuch in „To Rome with Love“ hat Woody Allen seine filmische Europa-Tour beendet und sich wieder auf heimischen US-Boden begeben. Umjubelt von der amerikanischen Filmkritik, landete er nun mit „Blue Jasmine“ eine modernisierte Nachempfindung von Tennessee Williams’ Bühnenstück „Endstation Sehnsucht“. Erfrischender Erzählwind weht durch sein bitterkomisches Melodram der Klassengegensätze, das sich in San Francisco entfaltet. Einzig das Hochglanzmagazin Vanity Fair entpuppte sich in der Wiedersehensfreude als Spielverderber und konnte der Versuchung nicht widerstehen: In einer langen Story erinnerte es an Allens unrühmliche Rolle im Scheidungsstreit mit Ex-Frau Mia Farrow vor zwanzig Jahren und seiner Verehelichung mit deren Stieftochter.

"Blue Jasmine": Depression in Chanel
Blue Jasmine

In Hollywood hingegen handelt man Cate Blanchetts perfekte Hauptrollen-Performance als Martini-trinkende Upperclass-Hausfrau, deren hervorragendste Fähigkeit im richtigen Tragen einer Louis-Vuitton-Tasche besteht, als würdige Oscar-Anwärterin. Innerhalb der Logik absoluter Schauspielkunst hat diese Hochschätzung seine absolute Richtigkeit: Cate Blanchett spielte die Blanche DuBois bereits vor einigen Jahren in New York im Theater und zog nun auch für ihre Filmrolle alle Register virtuoser Darstellungsfähigkeit. Wie sie desolat in ihrer cremefarbigen Chanel-Uniform durch die Straßen stolpert und mit sich selbst redet; wie sie ihre blauen Augen mit Tränen des Selbstmitleids füllt; und wie sie aus jeder Pore die Wodka- Depression atmet – das muss ihr erst einmal jemand nachmachen.

Doch trotz dieser meisterlichen Präzision läuft ihr Spiel auch immer wieder seltsam ins Leere. Allzu schematisch spielt Woody Allen die Klassengegensätze seiner beiden Hauptfiguren satirisch gegeneinander aus und unterhöhlt sie mit zynischer Weltschau. Wie ein exotischer, giftiger Schmetterling, ausgestoßen aus dem Paradies der Superreichen, landet Jasmine bei ihrer Schwester in einem heruntergekommenen Stadtteil. Die tolle Sally Hawkins als drahtige Proletin versucht vergeblich, sie in ihr Working-Class-Leben zu integrieren – was zu Situationen peinsamer Komik führt. Letztlich bleiben sie und ihr soziales Umfeld jedoch nur ein Sidekick in dem von Blanchett beherrschten Psycho-Dramolette.

Betrugsblase

In recht effektvollen Rückblenden kontrastiert Allen Jasmines gegenwärtigen Zustand jenseits des Nervenzusammenbruchs mit dem High-Society-Life früherer Tage. Als Ehefrau eines – wie sich später herausstellt – korrupten Anlageberaters führte sie ein sinnentleertes, aber aufwendiges Society-Leben zwischen Konsumwahn und Strandurlaub. In der Zwischenzeit schnappt der immer herrliche Alec Baldwin als ihr schlitzohriger Ehemann wie ein wohl genährter Terrier bei jeder Gelegenheit nach anderen Frauen. Irgendwann aber platzt die Betrugsblase, er wandert ins Gefängnis und Jasmine in den (emotionalen) Bankrott.

Allerdings gibt es in Woody Allens maliziös-mechanischer Weltsicht keine Weiterentwicklung. Jasmine bleibt hohl und der leeren Status-Maskerade verpflichtet. Einzig Cate Blanchett schafft es, ihrem melodramatischem Stereotyp Momente echten Dramas abzuringen.

KURIER-Wertung:

INFO: Blue Jasmine. USA 2013. 98 Min. Von Woody Allen. Mit Cate Blanchett, Sally Hawkins, Alec Baldwin.

"Blue Jasmine": Depression in Chanel
"Blue Jasmine": Depression in Chanel
Blue Jasmine

In Sachen Bildungsreform kommt nun ein Beitrag aus dem deutschen Komödienkino: Man setze einen ungebildeten Ganoven ins Lehrerkollegium, der die Problemschüler mit rauen Paintball-Methoden auf den rechten Schulweg bringt. Um Zeki Müller (Elyas M’Barek) in diese Position zu bringen, griff Regisseur und Autor Bora Dagtekin („Türkisch für Anfänger“) in die Mottenkiste des Gangsterkinos: Ex-Knacki Zeki ist auf der Suche nach einer versteckten Beute. Doch das Geld wurde dort vergraben, wo nun die neue Turnhalle der Goethe-Gesamtschule steht. Getarnt als Aushilfslehrer, will er durch nächtliche Grabungsarbeiten an den Schatz kommen.

Währenddessen wächst der Gauner in seine neue Rolle hinein und beeindruckt sogar die resolute Direktorin (Katja Riemann). Liebeswirren gibt es nicht nur in der Gangsta-Version von „Romeo und Julia“, die Zeki auf die Schulbühne bringt – eine Kollegin verliebt sich in den nassforschen Neo-Pädagogen.

Viel ist hier vorhersehbar, doch der zeitgemäße „Paukerfilm“ hat einige schräge – wenn auch genretypisch zotige – Momente.

KURIER-Wertung:

INFO: "Fack ju Göhte". Komödie. D 2013. 118 Min. Von Bora Dagtekin. Mit Elyas M'Barek, Karoline Herfurth, Katja Riemann.

"Blue Jasmine": Depression in Chanel
Der österreichisch-tunesische Schauspieler Elyas M'Barek spielt den Gauner Zeki Müller
"Blue Jasmine": Depression in Chanel
Karoline Herfurth als schüchterne Lehrerkollegin

Einer der rechtschaffensten und entsetzlichsten Menschen seiner Zeit, so nannte Heinrich von Kleist den Pferdehändler Michael Kohlhaas, den querulantischen Helden seiner Novelle von 1810. Weil man ihm Unrecht tat und er keine Gerechtigkeit erfuhr, griff Kohlhaas zur Selbstjustiz und brannte ganze Städte nieder. Regisseur Arnaud des Pallières verpflanzte die deutsche Geschichte in eine Gebirgslandschaft Frankreichs und fügte ihr das charismatische Gesicht von Dänen-Star Mads Mikkelsen („Die Jagd“) hinzu. Mikkelsen spielt den geprellten Rosshändler mit unpsychologischer Schönheit inmitten einer brutalen Feudalherrschaft. Effektvoll ruft Pallières die raue Landschaft mit Wind, Licht und Tönen auf, um die Materialität der furiosen Ereignisse greifbar zu machen.

KURIER-Wertung:

INFO: "Michael Kohlhaas". Drama. F 2013. 122 Min. Von Arnaud des Palllières. Mit Mads Mikkelsen, Mélusine Mayance.

"Blue Jasmine": Depression in Chanel
Rechtschaffen und entsetzlich: Mads Mikkelsen als Kohlhaas.
"Blue Jasmine": Depression in Chanel

Im Weißen Rössl am Wolfgangsee, da steht das Glück vor der Tür. Das wusste einst Peter Alexander als Oberkellner Leopold, der Rösslwirtin Waltraud Haas mit kindischer Liebe verehrte. Der Nostalgie-Klassiker unter den Heimatschnulzen hat nun ein unrühmliches Remake erfahren. Eine überschminkte Diana Amft reist als unromantische Berlinerin ins Salzkammergut und hört die Kuhglocken läuten. Vor einem violett angepinselten Rössl-Hotel springen Kellnerinnen in hässlichen Karo-Dirndln herum und tanzen zu übersteuerten Musical-Nummern. Eine schleißige Kamera, alberne Love-Storys und giftige Farben statt Heimatidyll machen aber noch keine gelungene Satire aus. Wie singt Fritz Karl als Oberkellner doch so treffend? „Zuschaun kann i net.“

KURIER-Wertung:

INFO: "Im weißen Rössl – Wehe du singst". Musical/Komödie. D/Ö 2013. 90 Min. Von Christian Theede. Mit Diana Amft, Tobias Licht.

"Blue Jasmine": Depression in Chanel
Fritz Karl als Leopold und Edita Malovcic als Rössl-Wirtin.
"Blue Jasmine": Depression in Chanel
Fritz Karl und Diana Amft in "Im weißen Rössl – Wehe du singst"

Oktober November

Drama. Nach dem großen Erfolg mit seinem für den Auslandsoscar nominierten Film „Revanche“ folgt nun fünf Jahre später Götz Spielmanns stilles Drama „Oktober November“. Nora von Waldstätten und Ursula Strauss treffen sich als zwei sehr unterschiedliche Schwestern am Sterbebett des Vaters (Peter Simonischek) im ländlichen Annaberg wieder. Konfrontiert mit konfliktreichen Erinnerungen an Kindheit und Jugend, überprüfen sie ihre jeweiligen Lebensentwürfe.

Shirley – Visionsof Reality

Drama. Im seinem ersten Spielfilm nimmt der österreichischen Avantgarde-Filmemacher Gustav Deutsch 13 Gemälde des US-Malers Edward Hopper als Ausgangsszenario, um Momentaufnahmen aus dem Leben einer Schauspielerin zu erzählen. Hoppers kalte Farben überträgt Deutsch mit brillanter Genauigkeit auf die Leinwand und unterfüttert so Hoppers melancholischen Realismus mit privaten und politischen Geschichten. Gleichzeitig verleiht er den Gemälden durch seine treffliche „Animation“ eine neue Strahlkraft.

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Horror. Indie-Horror-Slasher, bei dem eine maskierte Gruppe von Mördern bei einer Familie eindringt. Doch die ist um einiges wehrhafter, als es zuerst den Anschein hat.

Das kleine Gespenst

Kinder. Ein freundliches Gespenst geistert umher. Nach dem Kinderbuchklassiker von Otfried Preussler.

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