Golda Barton – sie lebt in „Pots- und Amsterdam“ – steht in Deutschland derzeit hoch im Kurs: Für „Sistas!“, eine Überschreibung von Tschechows „Drei Schwestern“, wurde sie in der Kritikerumfrage von Theater heute zur Nachwuchsautorin des Jahres gekürt. Die jüngsten Produktionen entstehen zusammen mit der Regisseurin Isabelle Redfern und dem Kollektiv MamaNoSing. Auf Einladung der Burg hat das deutsche Team nun eben Nestroy herangezogen, um über Rassismus zu befinden. Die Posse „Der Talisman“ eignet sich dafür ja gar nicht schlecht: Titus Feuerfuchs wie Salome Pockerl werden wegen ihrer Pumukl-Haaren gedisst. Mit einer Perücke aber schafft Titus den Aufstieg: Er wird Sekretär bei der Frau von Cypressenburg.
In „Cypressenburg“, im Kasino des Burgtheaters uraufgeführt, ist aus dem Barbiergesellen der Arthouse-Filmemacher Titus Fox geworden, der seinen Onkel Carl Carl, Produzent bei der Filmsociété Cypressenburg, um Geld anbettelt. Was dann folgt, ist René-Pollesch-Theater – in der Abklatsch-Variante. Denn in der Société hätte eine fähige Frau in die Leitungsfunktion gewählt werden sollen, aber dann wurde – „sensationell uninspiriert“ – ein „schmieriger Schmonzettensänger“ bestellt: „ein scheißenfader, schäbiger Schweizer“, der „welk, wabbelig und weinselig“ sei.
Welch Desperation!
Um der Entrüstung über die Bestellung von Stefan Bachmann, 1966 in Zürich geboren, zum Direktor Ausdruck zu verleihen, darf dann doch Nestroy herhalten: „Welch Desperation in mir aufquillt!“ Ui, ist das billig und niederträchtig! Ergänzt wird die affektierte Show mit Kauderwelsch rund um die Triggerwörter „Cultural Appropriation“, „Blackfacing“ und „Whitewashing“. Aufdringlich will Redfern vor Augen führen, wie vorurteilsbehaftet das Publikum ist. Denn als „Schwarzer“ im 70er-Jahr-Faschingskostüm mit prächtigem Afro (Kostüme von Mariama Sow) vermittelt Moses Leo größtmögliche Unbeholfenheit. Später aber, als „Weißer“ mit dezent orangen Haaren, zum Dressman hergerichtet, brilliert er mit wunderbarem Slapstick.
Safira Robens glänzt als „exotischer“ Star Sal O’Myè (also Salome Pockerl), auch Ernest Allan Hausmann (als Carl Carl ein Stevie-Wonders- oder Quincy-Jones-Verschnitt) und Zeynep Buyraç (als Wienerische Cypressenburg-Cher) legen sich ins Zeug. Die Pianistin Silvia Yi (aka Ming) spielt dazu am Klavier Mozart und Strauss.
Die Deutschen haben uns also wieder die Welt erklärt. Der verärgerte Zwischenruf „Piefke“ dürfte allerdings Teil der halblustigen Inszenierung gewesen sein.
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