Bitesnich im arktischen Meer: "Alles bewegt sich, Wasser spritzt, man ist dick eingepackt"

Bitesnich: "Ich habe Respekt für Leute, die sich da so ins Zeug legen."
Der österreichische Starfotograf hat sich für einen Bildband auf raue See begeben. Der Wiener spricht auch über seine neuen Projekte und die Selfie-Kultur.

"Es war brutal. Ich wusste, ich fahre in den nordischen Winter, wo es dunkel ist. So ein Eisbrecher ist wie ein dicker Truck. Im Schiffsbauch war ein Baucontainer, und darin waren Kabinen, ohne Tageslicht. Bei minus 20 Grad Celsius hat es gefühlte minus 30 Grad. Ungemütlich."

Andreas H. Bitesnich ist als Autodidakt mit Akt- und Reisefotografien zu einem Star der Szene avanciert. Im Frühjahr 2016 hatte er sich auf für ihn ungewohntes Terrain begeben. Auf Schwankendes.

Vögel, wie von einem Ölfilm überzogen

Bitesnich im arktischen Meer: "Alles bewegt sich, Wasser spritzt, man ist dick eingepackt"
Bitesnich Arktis Fotos
Für ein Foto-Essay war der Wiener elf Tage unterwegs, zwischen Tromsö und der Bäreninsel, die zwischen Norwegen und Spitzbergen liegt. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace war an ihn herangetreten, eine Schiffsreise zu Ölplattformen in der Arktis fotografisch zu begleiten.

Eisbär sitzt auf kleiner Eisscholle, Aktivist kettet sich an Bohrinsel: von diesen Bildern sind Leser und Seher übersättigt. Bitesnich wollte Bilder schaffen, "die die Leute weniger erwarten". Die Stoßrichtung des Eisbrechers war klar, mit dem Arbeitstitel "Into the Darkness" war es auch die Farbrichtung: Schwarz-Weiß-Fotografien sollten es werden.

Fotografieren bei Kälte und Seegang

Bitesnich im arktischen Meer: "Alles bewegt sich, Wasser spritzt, man ist dick eingepackt"
Bitesnich Arktis Fotos
Glaubt man den Schilderungen des erfahrenen Reisefotografen, war dieser Auftrag nicht nur ein künstlerische, sondern auch eine körperliche Herausforderung. Er selbst schätze ja das wärmere Klima, ihm wäre es nie in den Sinn gekommen, in den Norden zu fahren. In die Kälte. Gleich zu Beginn wurde er seekrank. Balance-Probleme plagten ihn noch monatelang. Der fertige Bildband heißt - wie passend - "Troubled Waters".

"Wenn sich das Objekt bewegt und man selbst bewegt sich auch, nach oben und unten, ist das superspannend - aber die Ausbeute an Fotos auch geringer", schildert Bitesnich im KURIER-Gespräche seine Eindrücke. Erhöhte Konzentration sei gefragt. Nicht nur das. "Mit zwei Paar Handschuhen übereinander ist das Fotografieren eine spezielle Herausforderung", lacht er. Vergessen ist heute die Seekrankheit, die ihn auf dem Schiff tagelang plagte. "Da geht man im Bauch des Schiffes und es schwankt - mir ist das erste Mal schlecht geworden."

"Wie eine Kröte auf dem Wasser"

Bitesnich im arktischen Meer: "Alles bewegt sich, Wasser spritzt, man ist dick eingepackt"
Bitesnich Arktis Fotos
Die besuchte Bäreninsel besitzt eine einzigartige Pflanzen- und Tierwelt. Eisenten brüten, Papageientaucher tummeln sich hier, aber Walrosse sind nur noch selten anzutreffen. "Die Folgen eines Ölunfalls wären für die Insel katastrophal", trommelt Greenpeace.

Zu den Ölplattformen muss man einen gewissen Sicherheitsabstand einhalten. "Als wir der OMV-Plattform näher gekommen sind, sind sofort Militärflugzeuge aufgestiegen", erzählt Bitesnich. Der Kapitän des Greenpeace-Schiffes und die Verantwortlichen der Bohrinsel hätten sich aber über Funk ausgestauscht und abgestimmt. "Die Ölplattform wirkt nach außen wie ein bedrohliches Gebilde, das auf dem Wasser sitzt wie eine Kröte." Der Fotograf denkt für einen kurzen Moment nach: "Oder wie ein Dracula-Schloss."

Selfie-Kultur: "Weil wir letztlich alle geliebt werden wollen"

Während Bitesnich Objekte und Menschen fotografiert, grassiert seit einiger Zeit weltweit die Selfie-Kultur. Worin sieht der Top-Fotograf die Gründe dafür? "Zum einen dünnt sich die Mitte der Gesellschaft aus - es schiebt sich zu den Extremen hin. Zum anderen möchte jeder ein Star sein. Wir wollen begehrt sein, deshalb inszenieren sich viele, in möglichst vorteilhaftem Licht", sagt Bitesnich. Die digitale Welt mache dies leichter möglich, "die Sozialen Medien bieten die Plattform." Doch im Gegensatz zum Eisbrecher in nordischer See hat "das wenige Tiefe. Das ist nur eine Illusion."

"Da bahnt sich etwas an"

Für 2017 hat der Wiener mehrere Projekte im Fokus. Er arbeite aktuell an einem neuen "Deeper Shades"-Band und an Ausstellungsprojekten. "Ich begleite den Komponisten Phlipp Glass fotografisch", verrät Bitesnich zudem. Der US-amerikanische Musiker mit jüdischen Wurzeln feiert im Jänner 2017 seinen 80. Geburtstag - "da bahnt sich etwas an". Man darf gespannt sein.

Infos

Das Essay umfasst rund 300 Bilder. Für den Bildband hat Bitesnich 96 Fotografien ausgewählt. Das Buch ist am 22. November 2016 präsentiert worden und gegen eine Spende bei Greenpeace erhältlich.

Bitesnich im arktischen Meer: "Alles bewegt sich, Wasser spritzt, man ist dick eingepackt"
Bitesnich Arktis Fotos
Zur Website von Andreas Bitesnich

Mehr Infos zu Ölbohrungen in der Arktis auf der Greenpeace-Website

Kommentare