„Museen (...) haben das Ziel, (... ) zu globaler Gleichheit und dem Wohlergehen des Planeten beizutragen.“
Dieser Auftrag findet sich in dem Entwurf zu einer Museumsdefinition des Verbandes ICOM, der 2019 nach heftigen Debatten nicht verabschiedet wurde. Die Mission, sich für das Wohl der Erde einzusetzen, haben gleichwohl viele Kunsthäuser aufgegriffen: Allein in Wien widmen sich aktuell mehrere (derzeit geschlossene) Ausstellungen dem Klimaschutz. Das MAK, das zuletzt einen Saal permanent als „Climate Care Galerie“ zweckwidmete, hat seine 2021 anstehende „Vienna Biennale“ unter das Motto „Klimafürsorge im digitalen Zeitalter“ gestellt. Würde die Pandemie nicht alles überschatten, wäre das Thema wohl noch präsenter.
Die Frage „aber kann die Kunst denn wirklich die Welt verändern?“ ist einmal mehr schnell zur Hand. Und tatsächlich sind viele Kunstschaffende zerrissen zwischen ihrem politischen Denken und der Verhältnismäßigkeit der Mittel, die ihnen zur Verfügung stehen: Eigentlich gehe beim Klimaschutz alles viel zu langsam, drängte etwa der Fotograf Michael Goldgruber bei einem vom Kunsthaus Wien mit dem KURIER präsentierten „Future Talk“. Goldgrubers eigene Bilder – subtile Aufnahmen von Landschaften, die die Spuren der Zivilisation nicht verschweigen – sind aber nicht wirklich aktivistisch angelegt.
Tatsächlich belohnt das Kunstsystem – in Form von Ausstellungen, Preisen, Publikationen oder (Lehr)-Aufträgen – eher selten das vordergründige Engagement in Umweltschutzbelangen, sondern originelle Bilder und ums Eck gedachte Konzepte. Diese braucht es aber genauso, um die Facetten des globalen Umbruchs sichtbar zu machen. Wie etwa verbildlicht man das Schmelzen der Permafrostböden? Wie den Verlust von Biodiversität, der auch unsere Nahrungsversorgung bedroht? Wie macht man greifbar, dass der Klimawandel manche Weltgegenden überproportional betrifft?
Kunst kennt hier ein breites Spektrum, wie zuletzt in der Schau „Nach uns die Sintflut“ des KunstHaus Wien (geplant bis 14. 2.) und den „Climate Care“-Ausstellungen des MAK sichtbar wurde.
In der letztgenannten, gemeinsam mit der Uni für Angewandte Kunst ausgerichteten Reihe thematisierte etwa der Designer Florian Semlitsch den Umstand, dass Internet-Videoplattformen zwar Treiber der Bewusstseinsbildung, mittels ihres Energieverbrauchs aber auch Treiber der Klimakrise sind.
Die Künstlerin Martina Menegon wiederum nutzte die Computer-Ästhetik für ein apokalyptisches Szenario mit aufgetürmten Leibern von digitalen Avataren, die sich wie die Seelöwen in einer TV-Doku den letzten Platz auf einem Felsen im Meer suchten. Ihrem Rezensenten war das zu viel Apokalyptik – er fühlte sich an das 19. Jahrhundert erinnert, als die Kunst sich vor den Umbrüchen der Industrialisierung in die schaurige Glorifizierung von Ruinen, Wolken und Meeresfluten stürzte.
Erhabenes Anthropozän
Zweifellos bringt auch die Klimakrise ihre Form von Kitsch hervor: So manche Bilder kitzeln aus der verwundeten Natur den ästhetischen Schauer heraus. Braunkohle-Abbaugebiete oder die menschengemachten Inseln vor Dubai verbildlichen die Irrwege der Gegenwart. Wo genau die Grenze zwischen kritischer Bildpraxis und der Ästhetisierung des Schreckens verläuft, darf kontrovers diskutiert werden. „Die Frage ist: Welche neuen Bilder können zu Handlungsimpulsen führen?“, sagte die Wissenschafterin Vera Tollmann in einem Symposium, das der Künstler Klaus Schafler bereits 2012 zum Thema abhielt.
Eingebrannt
„Es ist vielleicht naiv, aber ich glaube an die Kraft von Bildern, die sich einbrennen“, sagt die Künstlerin Ina Loitzl dazu. Sie hat im Wiener Künstlerhaus eine Gruppenausstellung kuratiert, die jedoch weniger auf Überwältigung denn auf Materialästhetik setzt: Unter dem Motto „Waste Art“ ist hier dargestellt, wie Protagonisten aus Kunst und Design Dinge recyclen und neu verwenden.
Dass Kunstschaffende, oft aus der finanziellen Knappheit heraus, ressourcensparend arbeiten können, ist kein neues Thema – die Wiederentdeckung „armer“ Materialien, die einst unter dem Schlagwort „Arte Povera“ firmierte, wird aber unter den Vorzeichen von Pandemie und Klimawandel heute wieder neu diskutiert.
Auch hinter den Kulissen des Betriebs ist die Diskussion um klimaschonende Maßnahmen in breitem Maßstab angekommen: Kunsttransporte, Verpackungen, Licht- und Klimasysteme und nicht zuletzt die Notwendigkeit von Reisen werden mittlerweile auf breiter Basis hinterfragt – zuletzt hat sich etwa die Kunstmeile Krems ein Klimafit-Programm verordnet.
Zu einem solchen gehört auch die Frage, von welchen Sponsoren Kunstinstitutionen Geld nehmen. Die Beziehung britischer Museen mit dem Ölkonzern BP kam etwa in den vergangenen Jahren zu einem Halt. Der potenzielle Imageverlust für Mäzene, der mit einem solchen Liebesentzug durch die Kunst einhergeht, ist nicht zu unterschätzen. Nur für den Fall, dass die Kunst es mit Bildern alleine nicht schafft, die Welt zum Umdenken zu bewegen.
Das Kunst Haus Wien zeigt noch bis 14. 2. die Ausstellung „Nach uns die Sintflut“. Im Rahmen der (derzeit geschlossenen) Schau findet heute, Freitag, online der letzte „Future Talk“ zum Thema „Klima und fossile Brennstoffe“ statt. Es diskutieren Künstler Klaus Schafler, Juristin Karin Hiltgartner, Nachhaltigkeitsforscher Dominik Schmitz sowie Aktivist Michael Spiekermann, es moderiert KURIER-Redakteur Michael Huber. 18 Uhr, Teilnahme kostenlos, anmeldung@kunsthauswien.com
Die Ausstellung „Waste Art“ ist – rechtzeitiges Lockdown-Ende vorausgesetzt – noch bis 3.2. in der „Factory“ des Wiener Künstlerhauses zu sehen.
Das MAK widmet ab 14.4. dem „Breathe Earth Collective“, das 2021 auch einen „Klima-Kultur-Pavillon“ zur Stadtkühlung in Graz aufstellen wird, eine Schau im Museum; ab dem 28. 5. wird sich die „Vienna Biennale“ dann in mehreren Ausstellungen, Initiativen und Veranstaltungen der Vernetzung der Sparten im Zeichen des Klimaschutzes widmen.
Kommentare