"Es ist eine pastorale, psychedelische und sanfte Explosion.“ Viel mehr sagt Beth Gibbons nicht über „Lives Outgrown“, ihr erstes richtiges Solo-Album.
Berühmt wurde die 59-jährige Britin als Sängerin der Trip-Hop-Pioniere Portishead. Aber schon damals, als sie ab 1994 mit ihren Kollegen Geoff Barrow und Adrian Utley, dem Hit „Glory Box“ und dem Album-Klassiker „Dummy“ die Musikwelt aufmischte, weigerte sie sich konsequent, Interviews zu geben. Sie muss aber auch nicht viel sagen. Dass sie mit „Lives Outgrown“ jetzt wieder so ein starkes künstlerisches Statement abgibt, reicht völlig.
Pastorale Momente
Das Album beginnt mit ein paar zerlegten Akkorden auf der Folk-Gitarre. Aber schnell wandelt sich der Intro-Song „Tell Me Who You Are Today“ mit dumpfer Percussion, leicht atonalen Streichern und Gibbons mehrfach überlagertem Gesang in das, was man von ihr erwartet: Ein mystisches Stück Musik, das so anziehend ist, weil wunderschöne sanfte und befremdlich dämonische Töne eine unwiderstehliche Symbiose eingehen.
Viele der zehn Songs sind ähnlich aufgebaut, rücken Gibbons verletzlichen, traurigen Gesang, in den Mittelpunkt, lassen Streicher bombastische „pastorale“ Momente liefern. Bei „Reaching Out“ führen Bläser zu der von Gibbons beschriebenen Explosion.
Fernöstliches Flair
„For Sale“ hat fernöstliches Flair und bei „Beyond The Sun“ sorgen Chöre und rabiate Drums für die Explosion. Und immer sind da diese subversiven Percussions, unruhige Atemgeräusche und andere bizarre Sounds, die die Lieblichkeit unterwandern.
Zehn Jahre hat Gibbons mit Produzent Tom Ford und dem Talk-Talk-Drummer Lee Harris an „Lives Outgrown“ gearbeitet. Statt normalen Drums benutzten sie Kisten, die sie mit Gardinen füllten, Tupperware-Geschirr, Kartonboxen oder getrocknete Erbsen in Metalldosen, um die komplexe rhythmische Basis aufzubauen.
Und all das passt so perfekt zu den Themen, die Gibbons besingt, macht ihre Angst vorm Älterwerden und den klimatischen Veränderungen genauso spürbar, wie die Traurigkeit darüber, Familienmitglieder oder Freunde im Sterben zu begleiten oder kaum mehr Zukunft und gar keine Hoffnung mehr zu haben.
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