Cumberbatch-Interview: "Kampf gegen jede Form von Terror"

Benedict Cumberbatch in "Dr. Strange"
Der Schauspiel-Star Benedict Cumberbatch über Dr. Strange, seine Eltern und ein wochenlanges Blackout.

In ihrem Überschwang bezeichnen sich seine Anhängerinnen als "Cumber-bitches", was man mit dem etwas despektierlichen Ausdruck "Cumber-Schlampen" übersetzen kann. Die Rede ist – natürlich! – von Benedict Cumberbatch. Und dies, obwohl er nicht den herkömmlichen Idealen eines attraktiven Mannes entspricht.

Der Enthusiasmus seiner Fans hängt offenbar mit seiner Rollenwahl zusammen. Cumberbatch tendiert zu Exzentrikern mit der Aura des Undurchdringlichen, zu marmorbleichen, einsamen Melancholikern. Frauen und Männer begehren ihn, dabei wirkt er seltsam geschlechtslos – oder wie er es selbstironisch im Interview ausdrückt: "Ich werde entweder als bleicher, arroganter und neurotischer Intellektueller eingesetzt oder als ,androgyner Typ‘. Anders gesagt: als schlechter Liebhaber."

Mit der gleichen Intensität, mit der er als Hamlet oder Frankenstein auf Londons Bühnen steht, gab und gibt er in der für ihn maßgeschneiderten Fernsehserie den Sherlock Holmes – und nun, sein neuester Streich, den "Dr. Strange" in der in vielerlei Hinsicht fantastischen Marvel-Comic-Verfilmung.

Auch darin verkörpert er den modernen Schauspielertyp: Von außen gesehen introvertiert oder sarkastisch, dahinter zerrissen von überwältigenden Gefühlen.

KURIER: Gibt es Parallelen zwischen Hamlet und Dr. Strange?

Benedict Cumberbatch: Auf die Gefahr hin, dass jetzt Bildungsbürger und Kritiker Sturm laufen: Für mich gibt es zwischen der Welt von Shakespeare und dem Marvel-Universum viele Parallelen – unter anderem, dass beide für ein breites Publikum gedacht sind. Gleichzeitig vermittelt Shakespeare tiefe Einblicke in menschliche Befindlichkeiten, die bis heute ihre Gültigkeit haben. In seinen Stücken geht es immer auch um Kämpfe gegen die Ungerechtigkeit.

Manche Kritiker sagen, dass man nach diesem Film kein LSD oder andere Drogen mehr braucht, um sich in eine Fantasiewelt versetzen zu können. Wie war Ihre Erfahrung dabei?

Sie meinen da sicher meine Erfahrungen beim Drehen des Films – nicht etwa meine privaten? (lacht) Aber die Arbeit für diesen Film kann man auf jeden Fall mit einem Trip vergleichen – und damit meine ich nicht nur die Green Screens, von denen wir umgeben waren. In diese grünen Flächen werden bei der Fertigstellung des Films Spezialeffekte hineinkopiert. Man braucht viel Fantasie, um sich die Bilder vorzustellen, auf die man glaubwürdig reagieren soll. Aber die braucht man als Schauspieler auch auf der Bühne. Aber wir haben auch an Originalschauplätzen Action-Szenen gedreht, bei denen sogar die blauen Flecken und die Hautabschürfungen echt waren.

Welche Originalschauplätze haben Sie am meisten inspiriert und beeindruckt?

Die Straßen von Katmandu, der Hauptstadt von Nepal. Sich dort durch die Straßen zu bewegen, gleicht schon einem halluzinativen Trip. Oder Hongkong. Dort haben wir einen Monat lang an einer Szene gedreht, in der Dr. Strange und seine Mitstreiter sich gegen die Zeit bewegen. Das heißt, all die Menschen rund um uns wurden zuerst real gedreht und dann läuft ihr Leben zurück, während wir uns vorwärtsbewegen. Da diese Szenen alle in der Nacht spielen, hatten wir während der Dreharbeiten ein buchstäbliches, Wochen dauerndes Blackout.

Haben Sie in Ihrer Kindheit Comics gelesen?

Nein, ich habe meine Helden-Figuren nie aus Comic-Heften bezogen. Und für mich als Erwachsener sind etwa die Ärzte ohne Grenzen wirkliche Helden. Oder auch Neurochirurgen – also Menschen, die anderen Menschen helfen wollen und können. Aber ich habe sie nicht als Vorbild für "Dr. Strange" genommen, denn es geht darin mehr um Zauberkünste und außerirdische Fähigkeiten. Für diesen Film habe ich mich eher an "Indiana Jones" orientiert. Aber auch in dieser Fantasy-Welt geht es um höhere Werte und um den Kampf gegen jede Form von Terrorismus.

Gibt es noch andere Vorbilder?

Meine wahren Helden sind meine Mutter und mein Vater. Sie waren Schauspieler und ich habe sie oft und gerne bei ihrer Arbeit beobachtet. Sie waren der Grund dafür, dass ich mich für diesen Beruf zu interessieren begann – und auch der Respekt, den sie ihren Kollegen entgegenbrachten, hat mich geprägt. Heute bedeutet es sehr viel für mich, wenn ich sie zu einer Premiere einladen und sie stolz machen kann. Damit möchte ich mich auch für all das bedanken, was sie für mich getan haben. Und noch etwas habe ich von meinen Eltern gelernt: Ich bin wie sie ein begnadeter Stubenhocker.

Als Dr. Strange haben Sie magische Fähigkeiten – welche hätten Sie gerne im echten Leben?

Ich träume oft, dass ich fliegen kann – was immer das psychologisch bedeuten mag. Noch lieber wäre mir die Fähigkeit zu Zeitreisen. Ich würde mich dann auf der Stelle zu meiner Familie beamen. Seit ich zwei Kinder habe, denke ich natürlich auch sehr viel an ihre Zukunft. Sie sollen es gut haben und dazu gehört hoffentlich auch, dass ich viel mit ihnen zusammen sein kann. Aus diesem Grund bringe ich auch nie Arbeit mit nach Hause, außer ein paar Textzeilen, die ich für den nächsten Tag zu lernen habe. Ich lege auch jede Figur, die ich gerade spiele, vor der Wohnungstür ab. Zu Hause bin ich in erster Linie Vater.

Von Gabriele Flossmann

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