Statt Bernhard nur ein bunter Abend

"Bei Einbruch der Dunkelheit" von Peter Turrini im Burgtheater. Im Bild: Elisabeth Augustin als "Else" (l.), Markus Meyer (m.) als "Philippe" und Dorothee Hartinger als "Claire" (r.).
Die Premiere von Peter Turrinis "Bei Einbruch der Dunkelheit" gerät im Burgtheater zu harmlos.

Möglicherweise waren Donnerstagabend Zuschauer im Publikum, die einst Teil von Lampersbergs Künstlergesellschaft am Tonhof waren. Wer weiß, ob sie sich erkannt haben in dieser überdrehten Tischrunde, wo die Verdauungsgeräusche der alten Gräfin die Pointen setzen.

Turrinis autobiografisch gefärbtes Stück über eine gelangweilte Gruppe von Künstlern um ein Mäzenaten-Paar ist an Maja und Gerhard Lampersberg angelehnt, die in den 60er-Jahren junge Talente um sich versammelten und förderten. Peter Handke, Thomas Bernhard, Friedrich Cerha oder Christine Lavant verkehrten in diesem offenen Haus und auch der junge Turrini, hier ein dichtender Dorfbub, war als staunender Beobachter dabei.

Bekannt wurden die Lampersbergs vor allem durch Bernhards Roman "Holzfällen". Der bayrische Regisseur Christian Stückl, der das Stück nun inszeniert, betonte in Interviews, er habe nichts vom Tonhof gewusst und wolle das Stück auch nicht als Schlüsselstück sehen. Man glaubt es ihm. Denn von Bernhard’scher Schärfe hat dieser Abend nichts. Dass es hier um "... politische und künstlerische Ignoranz" geht, wie die Burg-Ankündigung vorausschickt, kann, muss man aber nicht herauslesen.

Für Stückl stehen Zeit und Ort im Hintergrund – eine lange Tafel, dahinter ein Baum (Bühne und Kostüme: Stefan Hageneier) könnten jederzeit und überall sein. Kärnten ist im Dialekt der Haushälterin Claire (Elisabeth Augustin) und in Turrinis Bonmots präsent. "Wien endet spätestens in St. Pölten, Kärnten ist überall".

Geschlecht, Verdauung, und Kärntner Nazitum sind Turrinis Hauptakteure. Die Abrechnung mit seiner Heimat hat man bei ihm allerdings schon böser erlebt. Sein Spötteln über den Kunstaktionismus ist viel zu mehrheitsfähig, um wehzutun: Wenn Künstler Giuseppe (Laurence Rupp) eine "Pissrinne des sowjetischen Zentralkomitees" zeichnet und die Gräfin "Ich sehe nur einen Strich" feixt, ist die Gefahr, Applaus von der falschen Seite zu bekommen, groß. Stückl fügt dem Stück senfgelbe Perücken, Latexanzüge und Würstel hinzu, von denen ostentativ abgebissen wird, wenn es heißt: "Das Sexuelle wird überschätzt."

Szenenfotos

Statt Bernhard nur ein bunter Abend

Bei Einbruch der Dunkelheit
Statt Bernhard nur ein bunter Abend

Bei Einbruch der Dunkelheit
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Bei Einbruch der Dunkelheit
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Bei Einbruch der Dunkelheit
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Bei Einbruch der Dunkelheit
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Bei Einbruch der Dunkelheit
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"Bei Einbruch der Dunkelheit", Fotoprobe
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"Bei Einbruch der Dunkelheit", Fotoprobe
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"Bei Einbruch der Dunkelheit", Fotoprobe
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"Bei Einbruch der Dunkelheit", Fotoprobe
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Bei Einbruch der Dunkelheit
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"Bei Einbruch der Dunkelheit", Fotoprobe
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"Bei Einbruch der Dunkelheit", Fotoprobe
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"Bei Einbruch der Dunkelheit", Fotoprobe
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"Bei Einbruch der Dunkelheit", Fotoprobe
Statt Bernhard nur ein bunter Abend

Bei Einbruch der Dunkelheit

Irre Künstler

Der traurig-manische Komponist Philippe (Markus Meyer)hält Hof, bettelt um Aufmerksamkeit und schwärmt von den Dorfbuben, die er mit Schwedenbomben und Motorrädern sexuell gefügig machen will. Den dicken, lederbehosten Alois (Matthias Hecht) bittet er auf seinen Schoß, auf dass er dort Gedichte vortrage. Niemand nimmt den drögen Buben ernst, bis auf den verbitterten Lyriker Vinzenz (Sven Dolinski) – ein junger Bernhard minus dessen Humor. Die dahinplätschernde Konversation wird von Philippes wechselnder Garderobe – Kärntneranzug bis Mozartperücke – sowie seinen Schlagervorlieben aufgelockert: mit tragbarem Kassettenrekorder begeistert er sich für Drafi Deutscher und Chubby Checker. Man tanzt Polka zu Heino und wenn vom "Zorn Gottes" die Rede ist, schickt Stückl Blitze auf die Bühne.

Ansonsten ist die gelangweilte Gesellschaft damit beschäftigt, einander zu beleidigen und abzuwarten, dass die alte Gräfin (Barbara Petritsch) das Zeitliche segnet – möglichst vermögensschonend für ihre Umgebung. Doch diese denkt nicht daran und schleudert unerbittlich Pointen, sympathischerweise mit viel Selbstironie.

Ihr vergönnen Turrini und Stückl die meisten Lacher und wüsste man es nicht besser, könnte man meinen, dass der Kärntner Dichter sich in ihr mindestens so wiederfindet wie im dicken Alois.

KURIER-Wertung:

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