Bei den Festspielen Reichenau endet ein einzigartiges Stück Theatergeschichte
Nicht oft stimmt es, hier aber sehr wohl: In Reichenau endet mit dem Abschied der Loidolts ein Stück Theatergeschichte. Und wie das im Theater so ist, war diese Geschichte voll Erfolg und Drama, voll Zufriedenheit und Streit.
1988 gründeten Renate und Peter Loidolt jenes Sommerfestival in Reichenau, das nach anders orientiertem Start zu einem sicheren Hafen für jenes Publikum wurde, das lieber Schauspielerleistungen sieht als sich mit überbordenden Regieideen auseinanderzusetzen. Die Loidolts holten Stars aus Burg und Josefstadt für einige Klassikerproduktionen pro Sommer und manche neue Erkundung, etwa zuletzt zunehmend Dramatisierungen von Romanen. Es gab viel Schnitzler. Das Publikum war so treu wie beglückt wie den strengen Eigenheiten der Reichenauer Kartenvergabe ergeben. Mehr als 900.000 Besucher in 2542 Vorstellungen konnte man zum 30. Festspielgeburtstag feiern. "Es war ein Wagnis", resümieren Renate und Peter Loidolt damals rückblickend. Ein Wagnis, das sich gelohnt hat.
"Wir haben eher klein begonnen", erinnert sich das Intendanten-Ehepaar Renate und Peter Loidolt zum 30er, "aber das Konzept war von Anfang an klar. Wir wollten großartige Schauspieler in spannenden Konstellationen und in guten Stücken zueinanderbringen. Das ist uns hoffentlich auch gelungen."
Geführt wurden die Festspiele auch finanziell mit eiserner Hand. Nicht wenige Schauspieler schieden im Streit (viele ließen sich von jenen Gagen überzeugen, die die ausverkauften Festspiele zumindest für ihre Stars abwarfen). Es war wie eine "große Theaterfamilie", sagten die Loidolts. Und es war auch "anstrengend, hier zu spielen. Unsere Schauspieler kommen ordentlich dran. Aber sie lieben es. Das ist uns wichtig."
Und die Loidolts zeigten in mehr als drei Jahrzehnten etwas, das viele nicht für möglich hielten: Dass Theater-Festspiele auch finanziell ein großer Erfolg sein können. Es wurde knapp kalkuliert, gespart, wo man konnte, ohne die schauspielerische Qualität zu senken.
Zuletzt jedoch mischten sich auch Nebengeräusche in die Erfolgsgeschichte. Mit der NÖ Politik war man oft nicht im besten Einvernehmen. Und ein Rohbericht des Rechnungshofes, aus dem der KURIER zitierte, zeichnete Ärger an den Horizont: Scharf kritisiert wurde das Firmengeflecht, das die Loidolts rund um die Festspiele - ein riesiger Tourismusfaktor für Reichenau - gesponnen haben. So ist Peter Loidolt Obmann des Kulturvereins, dessen Mitglieder bei der Kartenvergabe prioritär zum Zug kommen. Weiters wurden zwei weitere Unternehmen gegründet, an deren Spitze ebenfalls das Ehepaar und deren Tochter stehen. In diese Unternehmen wurden Leistungen der Festspiele wie die Produktion der Bühnenstücke, das Engagement der Künstler oder die Marketingaktionen ausgelagert. Vom Land wurden die Festspiele etwa 2017 mit 462.000 Euro gefördert. Brisantes Fazit: Das Land sollte die Festspiele nicht weiter fördern, und prüfen, ob Förderungen ob dieser Intransparenz (zuletzt mehr als 400.000 Euro) zurückgefordert werden können.
Und dann kam die Pandemie. 2020 wurde abgesagt, auch die Pläne für 2021 nun wurden am Dienstag gestrichen. Das finanzielle Risiko angesichts beschränkter Auslastungsmöglichkeiten war den Loidolts zu hoch. Was die Absage nun wiederum für Folgen haben wird, war vorerst unklar, auch in Hinblick auf die RH-Prüfung und ihre Ergebnisse. „Ich bin durchaus der Meinung, dass diese Vorwürfe einfach nicht stimmen", sagte Renate Loidolt am Mittwoch im Ö1-Morgenjournal, wo sie ihren Abschied mit Jahresende bekanntgab.
Und so waren die Festspiele 2019, also das 31. Festspieljahr, die letzten, in denen die Ära Loidolt die Bühnen bespielte. Wie es weitergeht, war vorerst unklar. In der Geschichte Reichenaus hatten sich bereits wiederholt potenzielle Nachfolger ins Spiel gebracht. Ob jetzt einer davon zum Zuge kommt, und wie man die so eng mit der Familie Loidolt verwobenen Festspiele Reichenau in Zukunft führen kann und soll, muss sich zeigen.
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