(Wer keine Lust hat, an dieser Stelle weiterzulesen, dem bieten wir jetzt als besonderes Service die Antwort: Beide sind besser.)
Paul McCartney, er wird im Juni 78 Jahre alt, sprach die Eröffnungsworte. Ziemlich genau 50 Jahre nach dem Ende seiner Band wurde er vom Radiomoderator Howard Stern gefragt, ob die Beatles besser waren als die Stones. McCartney, der vor Eitelkeit nie Angst hatte, antwortete lachend: „Das habe ich immer gesagt. Aber es ist so, die Stones sind eine fantastische Gruppe. Ich schaue sie mir jedes Mal an, wenn sie auf Tournee gehen. Ich liebe die Stones, allerdings stimme ich dir zu, die Beatles waren besser.“
Mick Jagger, 76, wie immer ganz Politiker, antwortete diplomatisch: „Es gibt natürlich keine Konkurrenz. Der wirkliche große Unterschied zwischen diesen beiden Bands ist: Eine Band spielt unglaublicherweise zum Glück noch in Stadien, und die andere Band existiert nicht mehr.“
Dennoch war die Diskussion auch mit dem verbalen Lasso nicht mehr einzufangen, Millionen von Musikfans auf der ganzen Welt diskutierten in den sozialen Medien, als schrieben wir 1965 (und hätten noch 55 Jahre Zeit bis zum Ausbruch der Corona-Krise).
Damals – die Eltern Ihres Autors erzählen heute noch mit glänzenden Augen davon – war das tatsächlich eine entscheidende Frage: Beatles oder Stones. Die Beatles galten als niedlicher, aber auch als intellektueller. Die Stones waren wilder, frecher und ein wenig primitiv. Die Rolling Stones standen im Verdacht, sich nicht jeden Morgen die Haare zu kämmen, ein für die Sechziger-Jahre unerhörter Vorwurf – und etwas, was man einem Beatle niemals zugetraut hätte.
(Dass meine Mutter, Beatles-Fan, und mein Vater, Stones-Anhänger, ein Paar wurden, kann als kleines Wunder eingestuft werden. Ich verdanke meine Existenz also einem musikhistorischen Irrtum.)
Boy-Bands
Die Bands waren übrigens in Wahrheit eng befreundet, sie halfen einander im Studio, gingen miteinander aus, der erste Stones-Hit – „I Wanna Be Your Man“ – stammt von Lennon/McCartney. Die Gruppen stimmten sogar die Erscheinungstermine ihrer Platten aufeinander ab.
In Wahrheit war die Frage, wer besser ist, immer ein besonders wertvolles Marketing-Tool von Boy-Bands (und die Beatles und die Stones waren in ihrer Anmutung einmal Boy-Bands): Bay City Rollers oder The Sweet? Duran Duran oder Wham!? Take That oder Boyzone? Backstreet Boys oder *NSYNC? Oasis oder Blur? Wanda oder Bilderbuch? Fans stimmen über solche Fragen gerne beim Plattenkauf oder beim Streamen ab, und das nützt allen Beteiligten.
Kein Wunder, dass Mick Jagger, der alte Kommerzialrat des Rock ’n’ Roll, sofort die Chance erkannte, die ihm Kollege McCartney bot. Denn die Stones haben eben eine neue Single herausgebracht – den geisterhaften Reggae-Song „Living In A Ghost Town“ – der gerade weltweit zum Überraschungshit wird. Die Debatte, welche Band nun besser ist, kam da wie gerufen.
Apropos wie gerufen: Paul McCartney wäre gut beraten, ebenfalls hurtig ein neues Stück Musik zu veröffentlichen.
Also welche?
Welche Band ist nun wirklich die Bessere?
Sehr leicht zu klären ist die Frage, welche kommerziell die erfolgreichere ist. Die Beatles haben je nach Schätzung zwischen 600 Millionen und einer Milliarde Tonträger verkauft und sind damit die erfolgreichsten Plattenhändler. Die Stones kommen auf 200 bis 300 Millionen, was auch reicht, um beim Einkaufen keine Rabattmarken sammeln zu müssen, aber doch deutlich weniger ist.
In Wahrheit lassen sich die beiden Bands jedoch nicht vergleichen, weil sie unterschiedliche Sportarten betreiben. Die Beatles waren Sprinter (sie waren unter diesem Namen nur zehn Jahre, von 1960 bis 1970 aktiv), die Rolling Stones sind Dauerläufer bzw. Dauer-Roller. Seit 1962, also seit 58 Jahren, nehmen sie Musik auf, seit Jahrzehnten füllen sie Stadien und scheffeln Geld.
Das ist die große Stärke der Stones: Sie sind immer noch da, das Überleben ist bei ihnen ein künstlerisches Statement. (Und wie „Living In A Ghost Town“ beweist, sind sie noch relevant.)
Nicht mehr da
Gleichzeitig ist das auch die große Stärke der Beatles: Sie sind nicht mehr da. Das bedeutet, wir haben auch keine desaströsen, in Alkohol aufgelösten Konzerte gesehen, die uns die Stones sehr wohl immer wieder geboten haben. Konzerte, bei denen der große Keith Richards plötzlich nicht mehr zu wissen schien, was eine Gitarre ist und wie man dieses Gerät bedient.
Zum Abschluss ein persönliches Wort: Wer ist besser?
Ich fand die Beatles immer besser, aber die Stones waren mir immer lieber. Denn nicht immer ist besser auch mehr gut.
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