Bartolis Traumstart mit Traumstimmen

Bartolis Traumstart mit Traumstimmen
Die erste Opernproduktion mit der neuen künstlerischen Leiterin der Pfingstfestspiele geriet zum Triumph.

Eine Barockoper, die ungekürzt gespielt wird und fünf Stunden dauert, kann tödlich langweilig sein. Die erste Opernpremiere der Salzburger Pfingstfestspiele unter der Leitung von Cecilia Bartoli war das genaue Gegenteil davon: ernsthaft, aber dennoch humorvoll, klug, aber stets unterhaltsam, manche Tempi fast bis zum Stillstand ausreizend, aber sehr kurzweilig.

Händels "Giulio Cesare in Egitto" im Haus für Mozart: Ein Musterbeispiel für eine faszinierende Umsetzung eines komplizierten Librettos (Nicola Francesco Haym), das schildert, wie Cleopatra dank Cäsar an die Macht kommt, nachdem es zuvor Intrigen, Komplotte, Anschläge, Liebeswirren etc. gab.

Dass das Regieteam Moshe Leiser und Patrice Caurier dennoch ausgebuht wurde, ist nicht nachvollziehbar, weil jede Arie optisch als eigene, glaubhafte, intensive Geschichte umgesetzt wird; weil es wunderbare Zitate quer durch die Kunstgeschichte und durch Aufführungstraditionen gibt; und weil die Brutalität mit Soldaten und sogar einem echten Panzer auf der Bühne immer wieder gebrochen und mit einem Schuss Ironie versehen wird. Auch die optische Umsetzung mit Krokodil und vielen Echsen (Christian Fenouillat) ge­hört ins Reich zwischen Märchen und Tragödie.

Toporchester

Das Dirigat von Giovanni Antonini ist fabelhaft: Das Originalklang­ensemble Orchester Giardino Armonico klingt unter seiner Führung transparent, höchst differenziert, dynamisch ausgefeilt, präzise, flexibel, wendig. Vor allem das Naturhorn, das Auftritte von Cäsar begleitet, wird phänomenal gespielt.

Die Sängerbesetzung ist teils exemplarisch für dieses so reich instrumentierte Meisterwerk von Händel. Allen voran begeistert Cecilia Bartoli als Cleopatra: mit perlenden Koloraturen, guter Höhe, Koketterie und Selbstironie – ihre Kostüme und Perücken sind abenteuerlich. Die schönste Stimme des langen Abends besitzt Philippe Jaroussky als Sesto: Der französische Countertenor singt seine Arien technisch ausgefeilt, berührend und die Duette mit Anne Sofie von Otter (Cornelia) unübertrefflich.

Die anderen Countertenöre überzeugen ebenso: Andreas Scholl als Cäsar, der wie eine Marionette mit EU-Koffer und imperialistischen Ambitionen nach Afrika kommt; und Christophe Dumaux, der als Cleopatras Bruder und Widersacher Tolomeo pikante Erotik einbringt. Ruben Drole ist ein mächtiger Bariton (Achilla), Peter Kálmán (Curio) ein ausdrucksstarker Curio, der Altist Jochen Kowalski (Nirena) hat durchaus noch etwas Glanz von einst.

Zahlreiche Besucher verließen die Premiere in einer der beiden Pausen. Wer sich auf Händels "Giulio Cesare" einzulassen gedenkt, muss halt mit etwas Kontemplativerem rechnen als mit dem Standard-Opernrepertoire.

KURIER-Wertung: ***** von *****

Die Chefin im Gespräch - Schinkenfleckerln mit Cecilia

Ihr Rezensent kann sich nicht erinnern, dass es so einen Termin in Salzburg schon einmal gegeben hätte. Einzigartig wie Cecilia Bartoli – so gestaltete sich auch dieses Treffen.

Aber der Reihe nach: Vor der Händel-Premiere hatte es viele Interview-Anfragen an die Sängerin gegeben – sie zog sich zur Konzentration lieber zurück. Sie hat ja heuer außer der Oper auch noch zwei Konzerte zu singen. An der Präsentation des Programmes für die Pfingstfestspiele 2013 nahm sie auch nicht teil – verständlich drei Stunden vor Premierenbeginn.

Dafür entschloss sich die Bartoli, nach der Aufführung einige Musikkritiker zu Schinkenfleckerl zu laden – da die Premiere erst nach Mitternacht zu Ende war, tauchte sie um 0.45 Uhr auf. Und blieb eine gute Stunde. Erst danach schaute sie bei der offiziellen Premierenfeier vorbei. Ein Beweis, wie sehr es ihr um die Kunst und nicht um Society-Auftritte geht.

In langen Einzelgesprächen freute sie sich über den persönlichen Erfolg und auch über die humorvolle Regie. Einmal muss sie etwa auf einem Plastikflugzeug sitzend über die Bühne schweben. "Jetzt kann ich nicht mehr sagen, dass ich so große Flugangst habe", lächelte sie.

Warum sie 2013 Bellinis Norma singt, begründete sie gegenüber dem KURIER so: "Das haben früher auch nicht immer nur Sängerinnen mit den größten Stimmen gesungen. Ich will zurück zum Original. Bei der Uraufführung (1831 an der Scala, Anm.) war das Giuditta Pasta. Und Norma hat damals sogar mit der Adalgisa oft die Rolle getauscht."

Warum das wichtig ist? Weil einem Bartoli, eigentlich ein Mezzo, nicht sofort als Norma in den Sinn kommt. Dafür braucht man extreme Höhen, viele sind daran gescheitert. Aber Bartoli lässt sich ja auf kein Fach festlegen.

Einmal hat sie Norma schon gesungen (in Dortmund). Als Abkehr von Barockfestspielen sieht sie diese Wahl nicht: "Es wird weiterhin Barockmusik zu Pfingsten geben. Aber das ist herrlichster Belcanto."

Festspiele im TV: Arte und ORF 2

Pfingstsonntag: Arte zeigt um 20.40 Uhr eine Aufzeichnung der Festspieloper "Giulio Cesare in Egitto". ORF 2 bringt schon um 10.30 Uhr die Dokumentation "Opfer und Verführer – Das Schicksal der Kastraten".

Pfingstmontag: ORF 2 zeigt um 9.05 das Händel-Werk mit Andreas Scholl als Cäsar und Cecilia Bartoli als Cleopatra.

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