"Barbiere di Siviglia": Die dunkle Seite der Komik

Es geht ordentlich zur Sache: Mari Eriksmoen als Rosina und Topi Lehtipuu als liebestoller Graf Almaviva in Paisiellos „Barbiere di Siviglia“
Moshe Leiser und Patrice Caurier zeigen Paisiellos "Barbiere di Siviglia".

Einst ein riesiger Erfolg, heute fast vergessen: Mit seiner Vertonung von Pierre-Augustin Caron de Beaumarchais’ "Il Barbiere di Siviglia" landete der italienische Komponist Giovanni Paisiello 1782 einen echten Hit. Jahrelang wurde die in St. Petersburg uraufgeführte Oper an allen wichtigen Bühnen gespielt. 1816 kam Gioachino Rossini mit seinem "Barbiere" und lief Paisiello den Rang ab.

Zu Unrecht, wie die Regisseure Moshe Leiser und Patrice Caurier meinen, die mit ihrer Deutung des Paisiello-"Barbiere" ab morgen, Montag, einen dreiteiligen Beaumarchais-Zyklus im Theater an der Wien eröffnen.

Meisterwerk

"Barbiere di Siviglia": Die dunkle Seite der Komik
Oper
"Dieser ,Barbiere‘ ist ein echtes Meisterwerk, sagen Leiser und Caurier im KURIER-Gespräch. Denn, so das seit 1983 stets nur gemeinsam arbeitende Regie-Duo, "Paisiello ist viel näher bei der literarischen Vorlage von Beaumarchais als etwa Rossini". Leiser: "Rossini hat aus diesem Stoff, wenn man so will, sein ganz eigenes Ding gemacht. Das ist auch brillant, aber bei Paisiello kann man den Text ganz neu entdecken. Und trotz aller Komik wird man auch eine dunklere Seite entdecken."

Caurier ergänzt: "Natürlich ist es lustig, wie Graf Almaviva mithilfe Figaros seine Rosina erobert und deren Vormund Bartolo düpiert, aber Beaumarchais und Paisiello zeigen hier auch einen typischen Generationenkonflikt. Die Jugend siegt über das Alter, ist sogar rotzfrech zu Bartolo, der in dieser Oper die eigentliche Hauptperson ist."

Also keine rein komische Oper? Leiser: "Doch, das Publikum soll und wird hoffentlich lachen. Aber es ist kein Schenkelklopfer-Lachen. Ich hoffe, dass wir mit einer feinen Klinge die Leute fröhlich machen. Die Sänger, Dirigent René Jacobs und das Freiburger Barockorchester sind jedenfalls großartig und haben mit uns in Sachen Tempo und Timing perfekt gearbeitet. Denn um Komödie zu inszenieren, muss man sehr ernsthaft sein."

Charlie Chaplin

Und was liegt Leiser und Caurier, die im Theater an der Wien zuletzt mit Rossinis "Le Comte Ory" für Lachsalven sorgten, näher? Die Komödie oder die Tragödie? Lachend und unisono: "Wir lieben beides, wobei Komik viel schwerer zu inszenieren ist. Bei einem Drama wie etwa Wagners ,Ring‘ passiert eine Bewegung in 20 Minuten. In der komischen Oper passieren 20 Bewegungen in einer Minute. Man hat also die Zeit gegen sich." Leiser: "Ich orientiere mich da gern an Charlie Chaplin. Sein Film ,Der große Diktator‘ ist ein Lehrbeispiel an präziser, perfekter Komik mit tragischem Hintergrund."

Wie aber kann man sich den Arbeitsprozess des Regie-Duos vorstellen? Beide lachen: "Seit mehr als 30 Jahren die selbe Frage. Aber sie ist ja auch berechtigt", so Leiser. "Im Grunde ist das ganz einfach: Zu Beginn hören wir die Musik, lesen das Libretto – beides immer und immer wieder. Dann diskutieren Patrice und ich über das Werk, werfen uns Bälle und Ideen gegenseitig zu. Und wir arbeiten immer mit denselben Leuten, was Bühne, Kostüme und Licht betrifft. Das hilft in optischer Hinsicht sehr. Denn wir denken nie in Bildern, immer nur in Musik."

Telefonbuch

Eine Methode, die das Regie-Tandem längst an alle großen Häuser und zu den bedeutendsten Festivals geführt hat. Auch zu den Salzburger Pfingstfestspielen, deren Intendantin Cecilia Bartoli auf die Stärken Leisers und Cauriers baut. So werden beide heuer zu Pfingsten in Salzburg "Iphigénie en Tauride" mit Bartoli in der Titelrolle erarbeiten. Leiser: "Sie hat uns gefragt, da haben wir sofort zugesagt. Denn Cecilia ist eine Gigantin. Sie könnte das Telefonbuch vorsingen, und Millionen würden ihr zuhören." Caurier: "Außerdem interessieren uns unbekanntere Opern abseits der ausgetretenen Pfade mehr. Das wird unsere zweite Begegnung mit diesem Werk sein. Und der Zugang wird ein anderer sein als bei unserer ersten Inszenierung im Jahr 2000."

Leiser: "Die Welt hat sich seitdem massiv verändert, auch wir sind älter geworden. Ich glaube fest daran, dass man Oper durch die Augen der Gegenwart sehen und der Zeit Rechnung tragen sollte. Spätestens nach zehn Jahren sollte eine Produktion eines Werkes durch eine neue, aktuellere ersetzt werden. Ich glaube nicht an Inszenierungen, die 20 Jahre laufen. Jede Inszenierung, egal wie gut sie sein mag, hat ein natürliches Ablaufdatum. Wir machen Oper für die Gegenwart, nicht für die Ewigkeit."

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