Audrey Tautou und die Sache mit dem Glück

Audrey Tautou und die Sache mit dem Glück
Der "Amélie"-Star bezaubert in der neuen französischen Komödie "Nathalie küsst". Die Filmemacher David und Stéphane Foenkinos im Interview.

Die französische Schauspielerin Audrey Tautou, die hierzulande als Amélie Bekanntheit erlangte, bezaubert wieder einmal in einer entzückenden französischen Komödie. Die Romanvorlage "La délicatesse" (auf Deutsch "Nathalie küsst") von David Foenkinos war nicht nur in Frankreich ein absoluter Bestseller. Der berührende Film über einen großen Verlust und das Entflammen einer neuen Liebe ist ab 11. Mai in den österreichischen Kinos zu sehen. KURIER.at sprach mit dem Erfolgsautor und seinem Bruder Stéphane Foenkinos - die gemeinsam Regie führten - über Liebe auf den ersten Blick, die Schwierigkeit Glück auf der Leinwand darzustellen und was passiert, wenn sich der Autor selbst verrät.

Der Roman "Nathalie küsst" war nicht nur in Frankreich, sondern auch international ein großer Erfolg. War das der Grund für die Verfilmung oder wollten Sie die Geschichte neu erzählen?

David Foenkinos: Es ist eine erstaunliche Geschichte. Das Buch war in Frankreich ein absoluter Bestseller und wurde mehr als eine Million Mal verkauft. Aber das ist erst passiert, als der Film bereits im Entstehen war. Stéphane meinte noch vor der Veröffentlichung, das Buch würde sich perfekt für eine Verfilmung eignen. Auch als Audrey Tautou das Drehbuch gelesen hat, war das Buch noch völlig unbekannt. Das alles ist während der Dreharbeiten passiert. Der große Erfolg kam nämlich erst mit der Taschenbuch-Version.

Bisher wollte ich mit den Verfilmungen von meinen Büchern eigentlich nichts zu tun haben (Anmerkung: David Foenkinos ist erfolgreicher französischer Autor und schrieb die Romanvorlage). Aber bei dieser Geschichte war es anders. Ich wollte mit den Charakteren weiterarbeiten. Als Stéphane mir das dann angeboten hat, habe ich sofort zugestimmt. Es hat sich einfach richtig angefühlt. Und siehe da, zweieinhalb Jahre später sprechen wir immer noch darüber (beide lachen).

Stéphane: Also wir haben keinen Bestseller adaptiert. Das ist wichtig. Lustigerweise hat David in seinem Buch bereits ein Kapitel im Stil eines Drehbuchs geschrieben, ohne aber damals die Absicht gehabt zu haben, einen Film daraus zu machen. Das war fast schon Vorsehung. Wir arbeiten nun aber auch schon seit zehn Jahren zusammen, haben unter anderem einen Kurzfilm gemeinsam gemacht, und haben ein neues Projekt gesucht.

Audrey Tautou und die Sache mit dem Glück

Wie ist die Arbeit mit dem eigenen Bruder?

David: Es funktioniert gut. Aber das war eher ein Zufall. Wir sind immerhin sechs Jahre auseinander. Aus mir ist ein Schriftsteller geworden und aus Stéphane ein erfolgreicher Caster. Das passt zufällig gut zusammen. Dann haben wir natürlich das Glück gehabt mit Audrey Tautou arbeiten zu können. Aber solchen Anforderungen muss man auch gewachsen sein. Es wäre zum Beispiel völlig unpassend gewesen, Meinungsverschiedenheiten vor ihr auszutragen.

Wurde das Buch für die Verfilmung verändert?

Stéphane: Natürlich. Ab dem Moment, wo David mit der Bearbeitung angefangen hat, hat er nur noch den Film vor Augen gehabt. Sonst sagt man immer, Regisseure verraten die Autoren. In diesem Fall hat er sich selbst verraten. Manche Sachen waren zu schwer oder zu ausführlich; und dann gibt es natürlich die Kraft des Bildes. Im Buch sind beispielsweise viele Seiten der Kindheit von Markus gewidmet. Dafür war im Film kein Platz.

Im Buch ist auch viel über Nathalies Gedanken zu lesen. Das war schwierig zu adaptieren, deshalb wurde die Figur ihrer besten Freundin Sophie geschaffen. Aber das Wichtigste war, den Charme des Buches beizubehalten.

In den ersten 20 Minuten eine Liebe zum Leben zu erwecken, um sie dann sterben zu lassen, ist doch ein Riesenaufwand. Das hatte ich mir echt nicht erwartet…

David: Umso besser. In Frankreich wurde der Film permanent mit dem Buch verglichen. Das war schon auch ein Handicap, dass die Meisten die Geschichte bereits kannten. Es ist natürlich unterhaltsam, sich mit der Magie der Liebe auf den ersten Blick zu befassen, denn das Schwierigste im Kino ist Glück darzustellen…

Stéphane: … zumindest ohne, dass es so einen eigenartigen Beigeschmack bekommt. Das ist schwierig. Rosa funktioniert nicht so gut im Bild, schwarz funktioniert da besser. Und dann muss man halt auch Grautöne finden. Man musste die Vorstellung von Glück erst entschärfen. Die Darsteller zeigen Humor im Vergleich zu dem, was sie erleben. Wenn man die Geschichte nicht kennt, kann das natürlich ein Schock sein, auch wenn das nicht beabsichtigt war.

Auch wenn Audrey Tautou in "Wahnsinnig verliebt" bereits ihre böse Seite unter Beweis stellen konnte, denke ich zuallererst immer an Amélie (Anmerkung: Der Film "Die fabelhafte Welt der Amélie"). Und dadurch assoziiere ich mit ihr auch immer etwas Positives, kein negatives Gefühl wie Verlust. Haben Sie mit diesem Klischee gespielt?

Stéphane: Beim Sichten des Films ist uns aufgefallen, dass man diese Codes bedient, ohne es zu wollen. Das Bild von Audrey Tautou ist einfach so stark. Wenn man Audrey als junges Mädchen durch Paris spazieren sieht mit einer Musik, die an Yann Thiersen erinnert, dann ist man nicht so weit weg von Jean-Pierre Jeunet (Anmerkung: "Amélie"-Regisseur ).

David: Das war natürlich keine Absicht. Viele haben in ihr auch die erwachsene Amélie gesehen, eine Art Fortsetzung. Am Anfang des Films gibt es mehr oder weniger gewollte Ähnlichkeiten, aber dann geht es in eine ganz andere Richtung. Ich finde allerdings, dass sie immer noch ein sehr positiver Charakter ist. Sie ist sehr stark bis zu dem Moment, wo sie auf Markus trifft und sich fallen lassen kann.

Stéphane: Da wären Sie sicher überrascht von ihrem Film, den sie danach mit Regisseur Claude Miller gemacht hat, wo sie eine wirklich böse Rolle spielt. Sie mag es, harte Charaktere zu spielen.

Das Leben verläuft ja zum Glück auch nicht immer geradlinig…

David: Genau. Es ist auch eine Geschichte von Brüchen. Gleichzeitig war es für uns wichtig, die zeitlichen Übergänge sensibel zu arbeiten. Der Film zieht sich kontinuierlich über acht Jahre und bleibt nie stehen.

Stéphane: Und der Auftritt von François Damiens bringt diese etablierte Ordnung völlig durcheinander. Mit ihm wechselt auch das Genre. In Frankreich dachten wir, die Leute lachen vielleicht, weil sie ihn bereits aus anderen Rollen kennen. Aber auch im Ausland wurde gelacht. Er ist mit seinem Charakter auf einer Ebene, das macht ihn so witzig. Er ist so bewegend, weil er so ehrlich ist und nicht übertreibt.

David: Wir freuen uns, wenn Frauen die Geschichte glaubwürdig finden und von ihr berührt werden. Manche sagen: Das kann gar nicht sein, er ist zu hässlich.

Zu Beginn vielleicht. Aber gegen Ende fand ich ihn gar nicht mehr hässlich…

Stéphane: Wir hätten uns gewünscht, dass das alle so sehen. In der letzten Szene wollten wir ihn auch besser präsentieren. Er trägt beispielsweise nicht mehr diesen lächerlichen Pullover.

David: Das ist eine ganz klare Entwicklung. Zu Beginn hat er den Pullover an, dann trägt er ihn um die Schultern und zuletzt hat er nur noch ein schickes Hemd an (lacht). Aber sonst verändert er sich eigentlich gar nicht. Er erlebt etwas Außergewöhnliches, aber er bleibt immer gleich. Das macht ihn aus. Er hat keine Erfahrung mit Frauen.

Stéphane: Das ist auch ein Unterschied zum Buch. Darin erfährt man etwas über seine Vergangenheit und seine Verflossenen. Eine Frau war es auch, die ihn dazu gebracht hat, Schweden zu verlassen. Im Film wirkt es, als wäre Nathalie die erste Frau, die ihm begegnet. Aber irgendwie ist sie ja auch die erste wirkliche Frau in seinem Leben.

Gibt es Bezüge zur Realität?

David: Nicht wirklich. Ich schreibe fiktive Geschichten. Allerdings schwingt natürlich immer auch etwas Persönliches mit. Ich war sehr krank als Kind und es ist natürlich auch ein Buch über Trauer und darüber, wieder zu leben zu beginnen.

Ich dachte mir auch, das Interessanteste an einer Liebesgeschichte ist immer der Moment der Begegnung. Markus trifft wirklich im richtigen Moment auf Nathalie. Ein paar Jahre zuvor hätte sie ihn nicht einmal angeschaut. Das ist das Magische an diesen Liebesgeschichten, die immer nur zur richtigen Zeit und am richtigen Ort stattfinden können. Das war der Ausgangspunkt für die Geschichte, aber das ist lange her.

Warum heißt der Film auf Deutsch "Nathalie küsst"?

David: Das französische Wort "délicatesse" existiert auf Deutsch nicht. In Amerika hat man den Titel beibehalten ("delicatessy"), aber dabei denkt man eher an eine Bäckerei. Das ist etwas, das zart ist. Mir gefällt der deutsche Titel eigentlich ganz gut, schließlich ist dieser eine Kuss die Schlüsselszene.

Ist "Nathalie küsst" ein typisch französischer Film?

Stéphane: Das ist eine interessante Frage. Ich denke schon.

David: Im Film sieht man natürlich ein typisch französisches Setting, den Eiffelturm, Audrey Tautou; wir spielen ein wenig mit diesem typischen Bild. Ich habe auch oft gehört, dass meine Bücher einen französischen Charme haben.

Wie war die Kinopremiere in Wien?

Es war wunderbar. Fast 700 Personen waren da und wir sind bis zum Schluss geblieben, was nicht immer der Fall ist. Es ist langer her, dass wir den Film von Anfang bis zum Schluss  gesehen haben (lacht). Und die Zuseher sind auch geblieben und haben im Anschluss lange mit uns diskutiert.

Info zum Film

Das Buch "Nathalie küsst" (auf Französisch "La délicatesse") basiert auf dem gleichnamigen Bestseller von David Foenkinos. In Frankreich wurde das Buch mehr als eine Million Mal verkauft. Gemeinsam mit seinem Bruder Stéphane wurde die Geschichte für das Kino adaptiert.

Der Film Audrey Tautou und François Damiens in einer witzigen, typisch französischen Liebeskomödie mit Tiefgang. Ab 11. Mai im Kino.

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