Araki in der Albertina Modern: Sex, Tod, Zensur und Tokio

Nobuyoshi Araki
Die Albertina Modern widmet sich noch bis 29. August dem umfassenden Werk des japanischen Fotografen Araki.

Corona und andere Umstände haben dazu geführt, dass man in Wien in gleich drei Museen Werke des japanischen Fotografen zu sehen bekommt. Die bereits im West- und Ostlicht eröffnete Doppelausstellung „Arakiss“ (der KURIER berichtete) bietet den Besucherinnen und Besuchern noch bis 1. August einen guten Querschnitt aus dem umfangreichen Schaffen Arakis (*1940).

In der Albertina Modern kann man hingegen noch bis 29. August 2021 in die Tiefe gehen. Das liegt an den umfassenden Beständen des Sammlers und ehemaligen Galeristen Rafael Jablonka, die 2019 an die Albertina übergegangen sind. Als langjähriger Begleiter Arakis konnte Jablonka eine der profiliertesten Sammlungen von Araki-Fotografien aufbauen, die Werke aus unterschiedlichen Schaffensphasen vereint. 

Aus diesem umfassenden Archiv konnten Walter Moser und die Co-Kuratorin Astrid Mahler dann wählen. Die Betonung liegt auf wählen, denn alles, was die Albertina an Araki-Bildern besitzt, könne man gar nicht zeigen. Dafür wäre der Platz zu klein, so der Kurator Walter Moser beim Rundgang durch die ausführliche Schau im Untergeschoß des Hauses am Karlsplatz.  

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Ich

Die Ausstellung mit über 250 Bildern beginnt mit dem Schwerpunkt „Ich-Fotografie“, die der japanische Fotograf in den 1970er-Jahren als Bezeichnung für seine Arbeitsweise erfunden hat. Ohne Araki wäre die zeitgenössische Fotografie, etwa die Arbeiten Juergen Tellers, nicht vorstellbar.

Man sieht fast ausschließlich Schwarz-Weiß-Bilder, die Arakis Leben, sein Umfeld thematisieren. Immer wieder taucht er selbst (und ganz beiläufig) in seinen Bildern auf. Leben und Fotografieren, so Araki, sind gleichbedeutend. Selbst vermeintlich banale Motive hat er auf Film festgehalten. „Er fotografiert permanent. Für ihn ist das wie blinzeln“, erklärt Moser.

Nobuyoshi Araki

Araki beim Begräbnis seiner Frau. In Händen trägt er das Bild seiner verstorbenen Frau Yoko. 

Bei diesen Aufnahmen steht seine Heimat Tokio immer im Fokus. Denn Arakis Bilder sind hauptsächlich in der Megacity entstanden - in den Straßen, zwischen Suppenküchen, auf dem eigenem Balkon und im Wohnzimmer. Sie dokumentieren ganz beiläufig den tiefgreifenden Wandel Tokios – von einer traditionell geprägten Struktur zu einer globalen Wirtschaftsmetropole.

Diese Stadtaufnahmen kombinierte er gerne mit Aktaufnahmen, um die Verknüpfung von privat und öffentlich, von Außen- und Innenraum zu verdeutlichen. Und diese Aktaufnahmen stehen auch für Prostest und gegen eine restriktive japanische Gesellschaft und Politik.

Fesselnd

Seine berühmt-berüchtigten Akt-und Bondage-Aufnahmen machen die Verbindung von Sexualität, Begehren, Dominanz, Unterwerfung und Voyeurismus unmittelbar sichtbar. Diese Bilder werden in einigen Museen in Europa und den USA in den vergangenen Jahren sehr unterschiedlich bewertet und diskutiert. Kurz gesagt: Es gibt keine einheitliche Lesart und Rezeption dieser Bilder, die Kritik ist gespalten. Die Debatte führt mitunter so weit, dass renommierte Häuser diese Fotos von Araki nicht mehr zeigen. „Das sehe ich problematisch", kommentiert Moser. Man müsse sich aber im Rahmen einer Ausstellung mit diesen Arbeiten kritisch auseinandersetzen, sie kontextualisieren. Araki gehe es dabei nämlich nicht um Voyeurismus, um Pornografie, sondern um Rebellion gegen gesellschaftliche Prüderie und staatliche Zensur.

Araki in der Albertina Modern: Sex, Tod, Zensur und Tokio

Yoko im Boot, 1971. Es war auch das Lieblingsfoto von Arakis Frau Yoko. 

Yoko und Chiro

Eine Frau spielt(e) im Leben Arakis eine besondere Rolle. Sie begleitet einen dann auch auf Schritt und Tritt durch die Ausstellung: Es ist Yoko, seine ehemalige Ehefrau, die Araki 1990 (viel zu früh) verlassen hat. Sie ist gestorben. An Krebs. Ein tragisches Ereignis, das der Fotograf mit der Kamera festgehalten und verarbeitet hat. Diese sentimentale Reise steht auch im Zentrum der Ausstellung. In „Sentimental Journey“, einer Fotoserie, die zwischen 1971 und 2017 entstanden ist, erhebt er mittels schnappschussartiger Fotos seiner Frau Yoko das eigene Leben zum Thema. Vergleichbar mit einem Tagebuch zeigen die intimen Bilder die Flitterwochen, das Zusammenleben des Paares und den frühen Tod Yokos.

In dem ebenfalls zu sehenden und sehr berührenden Zyklus „Winterreise“ hat Araki das Verschwinden seiner Frau chronologisch dokumentiert – vom ersten Arztbesuch über die Diagnose bis hin zu ihrem frühen Tod im Alter von nur 42 Jahren. Im Laufe der berührenden Serie verschwindet Yoko immer mehr aus seinen Aufnahmen.

Mit dem Thema Verlust beschäftigt sich auch der letzte Teil der Ausstellung: „Frühlingsreise“.  Araki hat darin mit zahlreichen Aufnahmen das langsame Ableben von Chiro festgehalten, seiner geliebten Katze, von der er nach 22 gemeinsamen Jahren ebenfalls Abschied nehmen musste.

Die Ausstellung ist von bis 29. August 2021 in der Albertina Modern zu sehen.

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Eine Frau an der Bar in Tokio. 

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