Image-Maker mit Hang zur Melancholie: Starfotograf Anton Corbijn in Wien

Image-Maker mit Hang zur Melancholie: Starfotograf Anton Corbijn in Wien
Der Fotograf und Filmemacher war prägend für die Ästhetik der Popkultur. Das Kunstforum Wien beleuchtet sein Gesamtwerk
BotTalk UG akzeptieren

Stimmen Sie einer Datenverarbeitung von BotTalk UG zu, um diesen Inhalt anzuzeigen.

Nick Cave, Patti Smith, Tom Waits, Miles Davis – das Gesicht in den Händen – und in einem eigenen Raum: die britische Band Depeche Mode …

Ein Who’s who der Pop-Kultur ist in Schwarz-Weiß-Porträts im Bank Austria Kunstforum Wien versammelt. Promis und Künstler aus den Genres Musik, bildende Kunst, Literatur und Mode, oft düster, grobkörnig und sehr suggestiv im Bild, sind zugleich der Stoff für einen veritablen Medienhype.

Aber nicht nur.

Die von Lisa Ortner-Kreil kuratierte Schau „Anton Corbijn – Favourite Darkness“ (bis 29. Juni) zum bevorstehenden 70. Geburtstag des Künstlers im Mai dokumentiert mit 200 Exponaten aus fünf Dekaden die Entwicklung des Niederländers vom Autodidakten zu einem der einflussreichsten Fotografen.

Image-Maker mit Hang zur Melancholie: Starfotograf Anton Corbijn in Wien

Mehr als Promi-Pics

Es geht dabei nicht oberflächlich nur um Celebritys, sondern vor allem auch um die spezielle Ästhetik der Bilder, um die oft melancholisch-hintergründigen Ansichten etwa Gerhard Richters – von hinten beim Betrachten eines seiner Werke – oder um seine Kompositionen zu Tod, Auferstehung und Trauer.

So hat der Pfarrerssohn für die Serie „Cemeteries“ (1982/’83) auf katholischen Friedhöfen in Mailand und Wien religiöse Skulpturen zum Totengedenken fotografiert. Daran erinnern auch Setting, Symbole und Motive aus der christlichen Ikonografie und der Kunstgeschichte bei einzelnen Musiker-Aufnahmen. So dachten manche, Corbijn habe Heiligenbilder der Popkultur erfunden als Rebellion gegen seine strenge protestantische Prägung.

„Meine Welt“ als Opening der Retrospektive in sieben Kapiteln zeigt eher Überraschendes, jedenfalls keinen „Rock-Star“, sondern Corbijn, wie er, der Introvertierte, im Selbstbildnis und einem durchgestrichenen ANTON in Versalien und durch die Auswahl seiner Favourites selbst gesehen werden möchte.

Image-Maker mit Hang zur Melancholie: Starfotograf Anton Corbijn in Wien

Frühe Arbeiten für den Londoner New Musical Express ab den 80er-Jahren lassen den Klischees der Zeit oft zuwiderlaufende Bildstrategien erkennen: Unprätentiöse inszenierte Düsternis, Unschärfen, unerwartete Blickwinkel und Close-ups wurden zur unverkennbaren Handschrift und Marke des Altmeisters der analogen Fotografie als Image-Maker der Pop-Kultur.

Intuitiv und oft spontan

Was man den Konterfeis allerdings nicht ansieht: Dass sie angeblich ziemlich intuitiv und schnell entstanden sind. Dass vieles spontan abgelaufen ist, im Endeffekt sicher mehr improvisiert als geplant.

Mitunter entpuppt sich das scheinbar Zufällige als gewollt, was besonders in Verbindung mit Verkleidung irritiert, etwa wenn sich David Bowie im Lendenschurz zeigt.

Verwiesen wird auch mit einer Auswahl von zehn Musikvideos darauf, dass er außerdem seit Jahrzehnten mit Bewegtbildern arbeitet, zuerst in Musikvideos von Art of Noise über Depeche Mode, U2, Johnny Cash, Nirvana, bis Coldplay und Arcade Fire, seit 2007 auch als Spielfilmregisseur.

Image-Maker mit Hang zur Melancholie: Starfotograf Anton Corbijn in Wien

„Control“ über Leben und Tod des Sängers der Postpunk-Band Joy Division war 2007 sein erster Kinofilm, es folgten „The American“ mit George Clooney und „A Most Wanted Man“ nach John Le Carré u. a. mit Philip Seymour Hoffman. Parallel zur Ausstellung zeigt das Wiener Gartenbaukino eine Retrospektive zu Corbijns Film-Schaffen.

Zu einem gelungenen Porträt gehören Corbijns Überzeugung nach drei Elemente: Es muss zum einen etwas über den Fotografen sagen, zum anderen etwas über das Modell, und schließlich muss es dem Betrachter etwas Neues bieten.

Voller Menschlichkeit

Wie die ideale Balance zwischen diesen Elementen aussieht, kann allerdings auch der Künstler nicht sagen. Er suche in seinen Bildern „nach Menschlichkeit“, so viel verrät er. „In gewisser Weise geht es in meinen Bildern um das unerklärliche Element.“

Wie eben immer bei großer Kunst. Corbijn hat mit seinen Bildern Monumente geschaffen, die die Zeit überdauern. Mit der emotionalen Kraft des Analogen und einem Hauch von Nostalgie. 

Das Kunstforum Wien auf der Freyung, war wie berichtet in seiner Existenz bedroht, da die Bank Austria beschloss, ihr Sponsoring zu beenden. Eine Übergangslösung erlaubt nun, die aktuelle Ausstellung (bis 29. 6.) durchzuführen. Für den Herbst (mit einer Werkschau zu Marina Abramović) werden neue Sponsoren gesucht. Chefin Ingried Brugger ist 
„überzeugt, dass wir eine Zukunft haben“.

Zu der Ausstellung von Starfotograf Anton Corbijn ist ein prächtiger Katalog erschienen (39 €). Zusätzlich wurde eine 
limitierte Serie von Corbijn-Fotos zugunsten des Kunstforums aufgelegt (25 Abzüge à 1500 €)

Outbrain UK Ltd akzeptieren

Stimmen Sie einer Datenverarbeitung von Outbrain UK Ltd zu, um diesen Inhalt anzuzeigen.

Kommentare