"Katastrophe": Wie dem Kunstforum Wien der Boden weggezogen wurde
Die Hand, die einen füttert, beißt man normalerweise nicht - doch Ingried Brugger, langjährige Chefin des Kunstforums Wien, war am Montagmittag in Beißlaune.
Kurz zuvor hatte die Bank Austria, für die das renommierte Ausstellungshaus seit 2002 als Hauptsponsor agiert (rechnet man die Vorgängerinstitution Länderbank dazu, besteht der Kunstort seit 1980), in einer Aussendung kundgetan, dass ein Weiterbetrieb des Kunstforums "auf Grund der geänderten Rahmenbedingungen nun nicht mehr möglich" sei. Die Bank sehe ihre Rolle außerdem nicht mehr als Museumsbetreiber, sondern wolle andere Initiativen fördern. Zwar hieß es, dass der Betrieb bis zur Sommerpause 2025 "nach Möglichkeit" fortgeführt werden soll - angesichts bereits abgeschlossener Verträge für eine Schau der Performance-Ikone Marina Abramović im Herbst 2025 sieht sich Brugger aber mit hohen Pönalen konfrontiert, die auch den als Verein organisierten Träger des Kunstforums in die Insolvenz treiben könnten.
Der Flagshipstore des Kultursponsorings
Während in der Darstellung der Bank Austria vor allem die Insolvenz von René Benkos Signa-Gesellschaften für die "geänderten Rahmenbedingungen" zuständig sind, sieht Brugger die Verantwortung bei der Bank selbst: "Es gibt einen Entscheidungsträger, der beratungsresistent ist", sagt sie mit Blick auf den seit 1. Mai amtierenden Vorstandsvorsitzenden Ivan Vlaho. Er habe das Kunstforum, das mit seiner exponierten Lage auf der Wiener Freyung stets auch eine Art "Flagshipstore" für privates Kulturengagement war, nichts am Hut und habe mit der langen Tradition der Unterstützung der Institution gebrochen. Ein Sprecher der Bank weist diese Darstellung auf Nachfrage zurück und verweist auf die vielen Kultursponsorings, die die Bank gemeinsam mit der Hiobsbotschaft am Montag bekannt gab - dort ist gar von einem "Ausbau" der Förderung der Wiener Kulturszene die Rede, eine "zusätzliche Kulturmillion" soll locker gemacht werden.
Fakt ist: Der Mietvertrag für die Ausstellungsräumlichkeiten wurde von der Noch-Eigentümerin des Gebäudes, der in Konkurs befindlichen Signa Prime Selection AG, immer nur jahresweise verlängert und läuft mit Jahresende aus. Signa firmierte aber auch als "Sponsor" des Kunstforums - auf die Frage, ob formell ein Geldbetrag floss oder ob die Bank einfach eine reduzierte Miete bezahlte, war auf Nachfrage keine klare Darstellung zu bekommen. Jedenfalls sah sich die Bank bei der Neuverhandlung der Verträge mit einem Ausfall jenes Entgegenkommens konfrontiert. Und obwohl die Immobilie von der Signa Prime Selection AG verkauft wird - die Deadline für die Angebotslegung war am vergangenen Freitag - war mangels eines neuen Eigentümers noch Signa Prime Selection AG bzw. deren Masseverwalter Ansprechpartner. Hier konnte keine Übereinkunft erzielt werden.
Bauliche Ertüchtigung
Gegenstand der Verhandlungen waren demnach auch bauliche Investitionen. Laut Bank Austria sind Beträge "in Millionenhöhe" nötig, um das Ausstellungshaus in Sachen Sicherheit und Klimatechnik an aktuelle Erfordernisse anzupassen - Brugger selbst räumt zwar die Notwendigkeit neuer Brandschutztüren ein, stellt aber die kolportierte Zahl von acht Millionen Euro als "Fake" dar.
Mit einem an Bundespräsident Alexander van der Bellen gerichteten Schreiben eines Unterstützer-Komitees, dem u. a. Ex-Bundespräsident Heinz Fischer, Ex-Landeshauptmann Erwin Pröll, Künstler Erwin Wurm und KURIER-Herausgeberin Martina Salomon angehören, will das Kunstforum nun vor allem Zeit gewinnen. Dabei gehe es nicht um öffentliche Mittel, sondern um Unterstützung, um eine längere Übergangszeit zu ermöglichen: "Das abrupte Ende des Bank Austria Kunstforum Wien wäre ein riesiger Prestigeverlust für die Republik Österreich und die Stadt Wien", heißt es darin.
"Unübersehbare Lücke"
Angesichts der Sichtbarkeit des Kunstforums und seines auch international hohen Renommees ist die Hoffnung nicht dahin, dass mit einem neuen Eigentümer der Immobilie eine Einigung zu erzielen wäre und auch andere Private das Sponsoring des Betriebs übernehmen könnten.
Laut Brugger seien 50 Personen direkt am Kunstforum beschäftigt, dazu kämen noch freie Mitarbeiter. Im Kulturministerium gab man sich auf Nachfrage noch abwartend: "Wir kennen und schätzen das Bank Austria Kunstforum als hochkarätigen Ausstellungsort, dessen drohende Schließung eine unübersehbare Lücke hinterlassen würde", heißt es in einer Stellungnahme. "Das BMKÖS ist jedoch bis dato kein Fördergeber des Kunstforums und verfügt daher derzeit über keine ausreichenden Informationen zu dessen wirtschaftlicher Situation."
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