Große Gesten, große Formate, große Mythen, das große Zusammenspiel der Künste: Was der Oper eigen ist, charakterisiert auch das Werk des deutschen Künstlers Anselm Kiefer (*1945).
Somit schien es naheliegend, dass der auch im Bühnenbild erfahrene Maler, der sich zudem mit der Verdrängung und Erinnerung des deutschen Erbes auseinandersetzt, für die Verhüllung des Eisernen Vorhangs der Wiener Staatsoper ausgewählt wurde: Sind die Kunstwerke, die seit 1998 angebracht werden, doch Gegengewichte zur Gestaltung des durch seine NS-Aktivität belasteten Rudolf Eisenmenger.
Eisenmenger war NSDAP-Mitglied, zu den Fans seiner Kunst soll auch Adolf Hitler gezählt haben. Er bekam aber auch nach dem Zweiten Weltkrieg Aufträge (etwa für den Wandbehang im Kinosaal des Künstlerhauses) und Ehrungen wie das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst. „Eisenmenger ist ein geeigneter Kandidat für Aberkennung von Ehrentiteln, wie sie ab 2024 möglich wird“, sagte Kaspar Mühlemann Hartl, Geschäftsführer der Einrichtung "Museum in Progress", die die alljährliche Verhüllung des Eisernen Vorhangs mithilfe von Sponsoren organisiert und abwickelt.
Das für die Staatsoper gewählte Bild Anselm Kiefers heißt nun „Solaris“. Es ist eine Meereslandschaft, ausgeführt in den für Kiefer typischen Grautönen. Das Bild bzw. sein Titel verweist wiederum auf den Ozean auf dem Exoplaneten Solaris, der in Stanislaw Lems gleichnamigem Roman (1961) als lebendes, unfassbares Wesen imaginiert wird. Wie bei Lem gehe es auch bei Kiefer um ein "Zusammenbringen von Dingen, die logischerweise nicht miteinander verbunden sind", sagte Hans Ulrich Obrist, Kurator und Mitglied der auswählenden Jury, bei der Präsentation des Werks am Dienstag. Er würdigte Kiefers Auseinandersetzung mit der Wissenschaft - der Künstler war und ist immer wieder an den Grenzen des wissenschaftlich Fassbaren interessiert, seine Recherchen führten ihn zu alchemistischen Geheimlehren ebenso wie zum Teilchenbeschleuniger des CERN in Genf.
In Kiefers Bildern und Skulpturen kommt diese Auseinandersetzung auch in symbolträchtigen Materialien zum Ausdruck. Für den Eisernen Vorhang steuerte der Autor Christoph Ransmayr einen Begleittext bei, der das dahingehende Potenzial von Eisen - etwa mit Referenzen auf die "Eiserne Zeit" der antiken Mythologie - auslotet.
Leider fehlt der auf eine Riesenplane aufgebrachten Reproduktion von Kiefers Gemälde die Wucht des Materials, die seinen enormen, mit dem Einsatz von Maschinen und Feuer hergestellten Werken sonst eigen ist. Einen Eindruck von diesen Kraftakten vermittelt Wim Wenders’ Film „Anselm“ derzeit im Kino.
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