Ein scheinbar unbescholtener Familienvater erwürgt nachts Prostituierte. Er versteht sein Mordhandwerk als heilige Mission, um die Straßen der Stadt von „Unrat“ zu reinigen. Die Polizei tappt im Dunkeln; erst mit dem Auftauchen einer Journalistin kommt Schwung in die Untersuchungen. Klingt alles ein wenig nach konventionell gestricktem Thriller und ist es auch – sehr zur Überraschung für Fans von Ali Abbasis schrägem Vorgängerfilm, dem genderfluiden Troll-Horror „Border“.
Mit „Holy Spider“ schlägt Abbasi eine andere, geradlinige Richtung ein: Eindringlich, wenngleich etwas schematisch, formuliert er seine Anklage an das autoritär-religiöse Regime im Iran und dessen krasse Frauenfeindlichkeit. In dem Versuch, die Verbrechen aus allen Perspektiven mit bewusst grausamen Details auszuleuchten, verliert er jedoch etwas an erzählerischer Schärfe.
Das (horrible) Verhältnis zwischen Männer und Frauen – wenngleich in komplett anderem Zusammenhang – interessiert auch Alex Garland. Der Brit-Regisseur, verehrt für sein kühles Sci-Fi-Regiedebüt „Ex Machina“, stößt die immer sehenswerte Jessie Buckley in eine unberechenbare Folk-Horror-Raffinesse mit dem bezeichnenden Titel „Men“ hinein.
Buckley verkörpert eine junge Frau namens Harper, die in einem Landhaus in der englischen Provinz urlaubt. Schon der Vermieter ist ein seltsamer Vogel; als noch schlimmer erweisen sich ein übergriffiger Priester, ein bedrohlicher Polizist und ein nackter Mann, der plötzlich in Harpers Vorgarten steht.
Alex Garland lässt alle diese skurrilen Rollen von einem einzigen Schauspieler, dem trefflichen Rory Kinnear, verkörpern, der in unterschiedlichen Erscheinungsformen Harper zu Leibe rückt. Am spektakulären Höhepunkt von „Men“ beginnt einer der Männer seinen Bauch aufzublähen und einen Männerkörper zu gebären, der wiederum einen Mann gebärt – was ziemlich unglaublich aussieht. Gefinkelt spielt Garland die ewige Wiederkehr destruktiver Geschlechterverhältnisse im Rahmen einer originellen Genre-Übung durch – mit einer schaurig-komischen „Männer sind alle gleich“-Provokation.
Als haarscharfer Beobachter männlicher Verhaltensweisen hat sich auch der Schwede Ruben Östlund profiliert. Für „The Square“, eine Satire rund um einen verpeilten Kunstkurator, erhielt Östlund 2017 die goldene Palme. Umso höher lag der Erwartungsdruck auf seiner neuen Groteske „Triangle of Sadness“, die im Milieu von Männer-Models beginnt. Dort muss sich ein 25-jähriger Schönling (umwerfend: Harris Dickinson) mit den Stirnfalten zwischen seinen Augenbrauen – dem „Dreieck der Traurigkeit“ – konfrontieren. Gemeinsam mit seiner Model-Freundin unternimmt er schließlich eine Luxus-Kreuzfahrt, die mit Schiffbruch endet.
Genussvoll lässt Östlund in seiner ausufernden Gesellschaftsanalyse die Superreichen bei schwerem Sturm Austern und Champagner kotzen (urkomisch: Sunnyi Melles und Iris Berben ). Nach der Landung auf einer einsamen Insel werden die Macht- und Geschlechterverhältnisse schließlich neu ausverhandelt: unterhaltsam, plakativ – und ein bisschen banal.
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