"Ich bin ein Instrument"

Anett Fritsch: Die 28-jährige Sopranistin ist auf dem Weg zum Star
Die Sopranistin gibt als Elvira in Mozarts "Don Giovanni" ihr Debüt bei den Salzburger Festspielen.

Von Michael Haneke zu Sven-Eric Bechtolf, von "Così fan tutte" zu "Don Giovanni", von Madrid über Wien nach SalzburgAnett Fritsch ist sehr gut im Geschäft. Kein Wunder, gilt doch die erst 28-jährige deutsche Sopranistin als einer der Shootingstars der internationalen Opernszene. Ab Sonntag singt Fritsch die Donna Elvira in der Neuproduktion von Mozarts "Don Giovanni" bei den Salzburger Festspielen. Und die Aufregung hält sich in positiven Grenzen.

"Wir hatten sechs Wochen Zeit, um dieses Werk zu erarbeiten. Und wir sind ein fantastisches Team. Aber natürlich ist das Debüt in Salzburg etwas ganz Besonderes", so Fritsch. Ihre Figur sieht die Künstlerin realistisch. "Elvira liebt Giovanni und sie hasst ihn zugleich, weil er nicht erkennt, wie sehr die beiden füreinander geschaffen sind. Die passen auch körperlich, sexuell sehr gut zusammen. Das kann man zeigen, denn Mozart und Da Ponte haben sehr klare Figuren konzipiert, da muss man keine Kompromisse machen."

Keine Lüge

"Ich bin ein Instrument"
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Kompromisse liebt die in Plauen geborene Sängerin ohnehin nicht sehr. "Ich bin sehr gern ehrlich und das mag ich auch auf der Bühne. Regisseure wie Sven-Eric Bechtolf oder Michael Haneke sind in dieser Hinsicht großartig. Haneke etwa hat uns bei der ,Così‘ extrem viel Freiraum gelassen und jedes körperliche Angebot angenommen. Sein Fokus war ganz auf die Gefühlswelt gerichtet, er hat sofort gemerkt, wenn man auch nur ein bisschen abgeschweift ist. Haneke ist nicht umsonst so genial, von ihm kamen die Ideen."

Und was schätzt Fritsch am "Giovanni"-Regisseur Bechtolf? "Ich verehre ihn als Schauspieler. Er ist auch ein fabelhafter Pragmatiker, man merkt in jeder Szene, dass er vom Theater kommt, dass er dieses Metier wie kaum ein anderer versteht und beherrscht. Die Arbeit mit Bechtolf hat in mir die Lust geweckt, einmal nur reines Schauspiel zu machen. Ganz ohne Musik."

Keine Kontrolle

Warum? "Im Schauspiel kann man sich ganz verlieren, da kann man die Kontrolle schon einmal ganz abgeben. Das geht beim Singen nicht, da muss immer ein Rest von Kontrolle sein. Aber wenn ich auf der Bühne stehe und plötzlich nicht mehr weiß, wo oben und unten ist, dann fühle ich mich gut. Wenn sich das noch auf das Publikum überträgt, ist viel erreicht. In dieser Hinsicht bin ich eine Perfektionistin."

Stimmlich ist Fritsch vor allem im Mozart- und Barockfach daheim. "Dabei bleibe ich vorerst auch. Mozart ist unglaublich gut für die Stimme und gnadenlos. Man kann technische Mankos nicht kaschieren. Außerdem habe ich es leider schon zu oft erlebt, dass Kolleginnen oder Kollegen viel zu früh schweres Fach gesungen habe und sich damit ruiniert haben."

Wie aber fühlt man sich, wenn man berühmt wird? "Es geht nicht um das Berühmtsein, es geht um die Musik, um die Kunst. Ich bin ein Instrument, das Musik herstellt. Es geht nie um Anett Fritsch, sondern darum, das, was in mir drinnen ist, nach außen zu tragen. Wenn mir das gelingt, bin ich halbwegs zufrieden."

Aber wie sieht Fritsch den internationalen Kulturbetrieb generell? "Kunst hat vielleicht keinen materiellen, aber einen gesellschaftlichen Wert. Kunst kann Gefühle und Freiheiten produzieren und vermitteln, die nicht von der Gesellschaft vorgegeben sind. Allein die Tatsache, dass man sich heute Gedanken patentieren lassen kann, zeigt, wie wichtig Kunst in unserer Zeit ist – sie garantiert nämlich Gedanken-und Gefühlsfreiheit!"

Kein Fleisch

Also wird Fritsch nach dem "Giovanni" weiter ihren Kunstbegriff leben. Etwa als Gräfin in Mozarts "Le nozze di Figaro" am Madrider Teatro Real, als "Zauberflöten"-Pamina in Santiago oder als Marzelline in Beethovens "Fidelio" in Madrid. Und wenn noch Zeit bleibt, stellt Fritsch vegane Koch-Rezepte auf ihre Webseite. Lachend: "Das sind ja keine Rezepte, das kann jeder zubereiten. Aber es schmeckt, und ich bin Roh-Veganerin. Ich würde niemals Fleisch oder tierische Produkte essen. Also zeige ich, dass man sich auch anders ernähren und dabei glücklich werden kann."

Wenn die ersten Besucher der Don Giovanni-Aufführung vor dem Festspielhaus am roten Teppich eintreffen, herrscht hinter der Bühne bereits reges Treiben. Normalerweise bekommen die Zuschauer einer Opernaufführung nichts von den Vorbereitungen und der Arbeit „backstage“ mit. Servus TV will dies mit seiner Ausstrahlung der „Don Giovanni“-Aufführung bei den Salzburger Festspielen ändern.

Am 3. August bringt der Privatsender Live-Bilder von der Bühne im Festspielhaus. So weit, so ambitioniert. Der eigentliche Clou ist jedoch die parallele Berichterstattung von den Vorgängen hinter der Bühne. Denn zeitgleich liefert der Sender auf seiner Website servustv.com eine Live-Dokumentation für jene, die wissen wollen, was sich während der Vorstellung hinter der Bühne tut: Wer sorgt für das richtige Timing bei den Auftritten der Sänger? Wie verbringen die Wiener Philharmoniker ihre Pause? Regie führen dabei die preisgekrönten Dokumentarfilmer Volker Heise und Britt Beyer („24h Jerusalem“).

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