Künstlerische Architekturvisionen sind so eine Sache: Sie können beeindruckend sein, aber auch einer Ästhetik in die Hände spielen, die mit dem Totalitären liebäugelt. In Wien, wo einst der visionäre Symbolist und Urhippie Karl Wilhelm Diefenbach megalomanische Tempel zeichnete, kann man davon erzählen. Oder auch in Linz, wo der Zeichner Klemens Brosch schon in den 1920er Jahren enorme Science-Fiction-Bauten imaginierte, bevor der einstige Kunststudent Adolf Hitler sich anschickte, seine eigenen Vorstellungen mithilfe von Architekten wie Albert Speer Realität werden zu lassen.
Die in Österreich gut verankerte Tendenz zum Gesamtkunstwerk brachte aber auch egalitäre Visionen hervor – man denke etwa an Walter Pichler oder den Bildhauer Joannis Avramidis, der mit seinen Skulptur-Säulen eine Art Neuauflage der griechischen Polis anstrebte.
In dieser Gemengelage ist Andreas Werner ein „Zugereister“: 1984 in Merseburg an der Saale, damals noch DDR, geboren, kam er zum Studium nach Wien, das er 2012 an der Akademie der bildenden Künste abschloss.
In der Kunsthalle Krems bespielt Werner nun bis 3. 4. unter dem Titel „Galaktal“ einen einzigen Saal, der aber guten Einblick in seinen bildnerischen Kosmos gibt. In der Galerie Krinzinger Schottenfeld im 7. Wiener Bezirk läuft zudem noch bis 12. 2. eine Ausstellung, die Werners Repertoire weiter auffächert.
Tempel, Türme, Raketen
Stonehenge-Felsbrocken und Felslandschaften sowie Raketen- und Meteoritenbahnen scheinen es Werner angetan zu haben, wobei der genaue Ausgangspunkt für diese eher kleinformatig ausgearbeiteten Motive uneindeutig bleibt: Popkultur und Wissenschaft reichen sich hier als Inspirationsquelle die Hand. Zu einer unverkennbaren Sprache findet Werner aber in großformatigen Zeichnungen, die Tempel, Türme, Raketen, aber auch Figuren darstellen könnten.
Die aus gerippten Blöcken gebauten Formen erinnern an antike Säulen oder Tempel, sind aber zugleich abstrakt und nie ganz schlüssig. Weil den Zeichnungen räumliche Tiefe fehlt, suggerieren sie nicht, dass das Dargestellte tatsächlich gebaut werden könnte oder sollte – über den Größenwahnsinns-Verdacht ist Werner also erhaben.
Auf Erhabenheit als ästhetische Kategorie zielt der Zeichner, der im Detail sehr abwechslungsreich und lebendig mit dem Graphitstift umzugehen weiß, aber sehr wohl ab – das Gefühl zwischen Furcht und Staunen, das einen mitunter auch in großer Architektur befällt, schafft Werner auch am vergänglichen Papier.
Die dargestellten Gebilde könnten uralt sein, aber auch aus einer imaginierten Zukunft stammen – zugleich scheinen sie dem romantischen Pathos von Ruinen und Raumschiffen mit einer Portion Ironie zu begegnen.
Das Streben nach Überzeitlichkeit, das aus den Blättern spricht, macht die Werke gerade wieder zeitgemäß: Denn dass in der unsicheren Gegenwart der Wunsch nach Halt besteht, ist kaum zu leugnen. Werners zeichnerischer Balanceakt macht letztlich Hoffnung, dass die Möglichkeit zur Stabilität besteht, ohne dass man dazu zu rückwärtsgewandten Strukturen oder abgehobenen Heilsversprechungen greifen muss.
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