Andreas Vitásek: "Jeder agiert nur noch emotionsgetrieben"
Andreas Vitásek hat sich mehr oder weniger damit abgefunden, dass er im sonnigen Spätherbst bzw. im Frühwinter seines Lebens angekommen ist. Was aber nicht heißen soll, dass der 67-Jährige ans Aufhören denkt, die Kabarett-Bühne verlässt und zum Golfspielen anfängt. Wenn, dann schon Tennis. Aber die kaputten Gelenke lassen ohnehin kein passables Serve-and-Volley-Spiel mehr zu. Jammern will er aber nicht. Dafür hat er auch gar keine Zeit, denn am 7. November wird er im Wiener Rabenhof sein neues Soloprogramm vorstellen.
Vitásek macht also weiter, auch wenn ihm einige bereits zur Pension gratuliert haben. „Es kommen immer wieder Leute auf mich zu und sagen: ,Ah, jetzt machst du doch noch ein Programm. Ich dachte, du gehst in Pension.‘ Dabei habe ich nie gesagt, dass ich aufhöre. Alles nur ein Gerücht, wie auch jene Behauptung, dass ich ganz ins Burgenland gezogen bin.“ Er habe zwar in der Nähe von Güssing einen Zweitwohnsitz, „aber keine Angst, ich werde in diesem Leben kein Weinbauer mehr. Denn es gibt schon genügend Menschen in meinem Umfeld, die Wein machen, den man nicht trinken kann“ (lacht).
KURIER: Sie wollen zwar kein Weinbauer werden, nennen Ihr neues Programm aber „Spätlese“. Wie ist das zu verstehen?
Andreas Vitásek: Ich wollte dem Programm einen Titel geben, der den Herbst des Lebens, in dem ich mich gerade befinde, stimmig beschreibt. Da es nicht zu depressiv, zu traurig klingen sollte, habe ich mich für „Spätlese“ entschieden. Das fügt dem Ganzen eine kulinarische Note hinzu. Inhaltlich sollte es dann wie der Wein selbst sein – nicht zu leicht, aber auch nicht allzu heftig, nicht zu süß, aber doch vollmundig. Um eine gute Spätlese zu machen, braucht es die Routine, die nötige Reife, und viel Erfahrung des Winzers.
Wie legen Sie Ihr neues Solo-Programm an?
Ich hätte schon ganz gerne, dass die Leute fröhlich nach Hause gehen. In anderen Zeiten, wenn alle supergut drauf sind, kann man schon mal draufhauen. Jetzt will ich den Leuten Mut und Hoffnung machen. Aber ich bin Kabarettist und kein Schlagerstar – die heile Welt gibt es bei mir nicht.
Welche Themen stehen im Vordergrund?
Es ist der Blick eines etwas älteren Herren auf die aktuelle Zeit, gespickt mit kurzen nostalgischen Rückblicken. Ich spaziere zum Beispiel noch einmal durch meine alte Heimat, durch Wien-Favoriten, und schau mir an, was sich da alles verändert hat. Nicht alles zum Positiven, wie ich finde. Und das muss man auch mal klar ansprechen – nicht immer nur versuchen, sich alles schönzureden. Mit Slogans wie „Wir haben keine Probleme im Gemeindebau“ lassen sich Fehlentwicklungen nämlich nicht beheben. Das ist realitätsfremd. Und dann darf man sich auch nicht wundern, wenn im ehemals roten Gemeindebau die Mehrheit Blau wählt.
Das heißt, in Ihrem Programm geht es auch politisch zur Sache?
Nicht wirklich, tagespolitische Themen haben mich nie sonderlich interessiert, sie sind vielleicht eine Randnotiz in meinen Programmen. Das können andere besser. Es geht mir im neuen Solo um die zahlreichen gesellschaftlichen Veränderungen, die Paradigmenwechsel, die sich gerade in vielen Bereichen einstellen: politische Korrektheit, Umwelt, das Bashing der Boomergeneration, der ich angehöre, Künstliche Intelligenz und eh wie immer auch um den Tod.
Seit drei Jahren spielen Sie erfolgreich das Qualtinger-Stück „Der Herr Karl“. Bleibt das im Repertoire?
Ja, den spiele ich weiter. Das Textwiederholen dient mir als willkommene Alzheimer-Prophylaxe (lacht). Vielleicht spiele ich ihn nicht mehr so oft, aber auf alle Fälle immer am Nationalfeiertag. Dort passt er nämlich hervorragend hin.
Wobei man das Stück gerade täglich aufführen könnte …
Ja, das stimmt. Leider ist „Der Herr Karl“ aktueller denn je, obwohl das Stück bereits 60 Jahre am Buckel hat. Der Antisemitismus, die Atombombe, Inflation, Weltwirtschaftskrise, die Angst vor den Russen. Alles wieder beängstigend aktuell. Und auch die Art und Weise, wie sich der „Herr Karl“ verhält. Dieses vordergründig Freundliche, aber hinterrücks Bitterböse. Ein ausgeprägter österreichischer Charakterzug, den wir auch nicht loswerden. So wie wir uns derzeit in der Außenpolitik durchschwindeln, erinnert mich das stark an den „Herrn Karl“. Wir stehen zwar dezidiert auf der Seite der Ukraine, aber machen immer noch gute Geschäfte mit Russland.
Woher kommt dieser – ähm – spezielle Wesenszug?
Gute Frage. Ich habe mich ja bereits in meinem Programm „Austrophobia“ intensiv mit der österreichischen Seele befasst. Die Wurzeln für diese raunzerische Wehleidigkeit, das Matschkern auf hohem Niveau, liegen wohl in der historischen Gegebenheit, dass wir einst von einer Monarchie zu einem kleinen Land geschrumpft sind. Noch dazu haben wir es immer noch nicht geschafft, unsere nationalsozialistische Vergangenheit gründlich aufzuarbeiten. Es ist uns gelungen, uns und die anderen davon zu überzeugen, dass wir das erste Opfer Hitlers waren.
Wie würden Sie die aktuelle Stimmungslage in der Gesellschaft beschreiben?
Die Stimmung ist mies, was auch kein Wunder ist. Wir leben in unsicheren Zeiten, in denen man sich dauernd fragt: Welche Krise, welche Katastrophe kommt als Nächstes um die Ecke? Dabei sind wir bereits mit einer Krise, nämlich der Klimakrise, heillos überfordert.
Und dann noch die Auswirkungen der Corona-Pandemie.
Das kommt noch dazu. Wobei die Pandemie überraschenderweise weniger verändert hat, als ich anfangs gedacht habe.
Wie meinen Sie das?
Die Leute geben sich wieder die Hand, es wird wieder wild herumgebusserlt. Viele verhalten sich genauso wie vor der Pandemie. Das finde ich bemerkenswert, dass der Mensch eine gewisse Hartnäckigkeit hat, was seine Verhaltensmuster betrifft. Für Künstler ist das auch positiv, denn die Kinos, Theater, Kleinbühnen und Konzertsäle sind wieder gut gefüllt. Das ist erfreulich, dass die Kultur nicht unter Long Covid leidet.
Zurück zur aktuellen Stimmungslage. Woher kommt diese spürbare Anspannung?
Von einer Unsicherheit, die die Leute seit der Finanzkrise 2008 begleitet. Zu diesem Zeitpunkt haben viele zum ersten Mal gespürt, dass sie sich auf dünnem Eis bewegen. Seither folgt eine Krise auf die andere. Und jeden Tag kommen weitere Hiobsbotschaften dazu. Alles sind angespannt, jeder agiert nur noch emotionsgetrieben.
Von dieser aufgeheizten Stimmung profitiert vor allem eine Partei, die FPÖ.
Manche Leute sehen das als Form des Protestes. Und es ist auch eine Reaktion darauf, dass sich viele Menschen übergangen fühlen. Man hat ja oft das Gefühl, dass Politikerinnen und Politiker vergessen haben, dass sie eigentlich gewählt wurden, um für die Bürgerinnen und Bürger da zu sein, um für sie serviceorientiert zu arbeiten.
Es geht in Ihrem neuen Programm auch um die Energiewende, die Erderwärmung. Wie kommen die Klimakleber dabei weg?
Pointen möchte ich nicht verraten. Aber ich kann die Sorgen der Letzten Generation nachvollziehen. Hätte es solche Demonstrationen in meiner Jugend gegeben, hätte ich mich wohl auch irgendwo angeklebt. Meine Generation hat sich halt in Hainburg an Bäume gekettet.
"Spätlese": Gereift und mit etwas Restsüße blickt Andreas Vitásek in seinem neuen Programm auf aktuelle Themen: Klimaproteste, politische Korrektheit, Künstliche Intelligenz und natürliche Blödheit werden durch die Brille eines gereiften, aber keinesfalls seriösen Herren betrachtet. Die Premiere in Wiener Rabenhof wurde aus gesundheitlichen Gründen auf den 21. 11. verschoben. Karten und weitere Termine: www.rabenhof.at
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