Quasi in einem anderen Licht, in einem anderen Ambiente erscheint der gleiche Opportunist, Fiesling und Gesinnungslump. Dieser räsonierende Raunzer, resignierend und melancholisch zugleich, ist kein Hackler altproletarischen Zuschnitts mehr im grauen Arbeitsmantel im Kellermagazin eines Feinkostladens, sondern ein Allerweltsspießer im Tlapa-Anzug.
Die personifizierte Gemeinheit, die sich als Gemütlichkeit tarnt.
Ein gfeanztes Gfrast, bei Vitásek ohne den treuherzigen Schweinsäugerlaufschlag des geistigen Urhebers und ersten Interpreten.
Ohne das Siaßlate des Einschleimers und zugleich Camouflage der Abgründe des goldenen Wienerherzens.
Aber mit einem: „A Hetz hamma g’habt ...“
Seine scheinbare Liebenswürdigkeit ist gruselig bösartig und selbstzufrieden.
Vitásek artikuliert in feinen Nuancen das Dumpfe der Volksseele, trifft mit Nonchalance, wie Friedrich Torberg über den „Herrn Karl“ schrieb, „ins Schwarze, ins Schwärzliche, ins gräulich und grauslich Angefaulte“.
Und wo endet der Witz? Wo beginnt der Ernst?
Napoleons Worte auf seiner Flucht aus Russland – „Vom Erhabenen zum Lächerlichen ist es nur ein Schritt“ – lassen sich hier variieren: Vom Lächerlichen zum Gemeinen ist es auch nur ein kleiner Schritt.
Das offenbart sich in den Weiberg'schichten, im Dulijöh, im rabiaten Antisemitismus und in der portierhaften Giftigkeit eines biedermännisch-jovialen Witwentrösters, bauernschlauen Schnorrers, Schmarotzers und genialen Durchlavierers.
Die Darstellung dieses Schlawiners, Soziopathen und Kleinbetrügers ist auch nach fast 60 Jahren mit Vitásek sehens- und hörenswert. Er zeigt, dass „Der Herr Karl“ nicht nur das kuriose Exemplar einer Sozialfauna längst vergangener Zeiten ist, sondern hochaktuell in seiner Mir-san-mir-Mentalität.
Obwohl es jüngst hieß: So sind wir nicht. Vielleicht doch?
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