Erfolgsrezept Gott, Heimat, Familie

Bradley Cooper als Ego-Shooter und Scharfschütze Chris Kyle, der mit über 160 Kills zu den gefürchtetsten Todesschützen der US-Militärgeschichte zählte: „American Sniper“
Heiße Debatten um Clint Eastwoods Kassenschlager-Kriegsfilm "American Sniper".

Wenn es allein um Zahlen ginge, hätte Clint Eastwoods "American Sniper" auf jeden Fall den Oscar gewonnen. Seine pathetische, nur zart gebrochene Heldenverehrung eines amerikanischen Scharfschützen spielte mehr Geld ein als alle Filme, die in der Kategorie Bester Film nominiert waren, zusammen. Weltweit brachte der Film mehr als 360 Millionen Dollar ein – für Eastwood der größte kommerzielle Erfolg seiner Karriere. Das gesamte amerikanische "Heartland" – sprich: das konservativ-christliche "Herz" Amerikas – eilte ins Kino. Kein Wunder bei der Botschaft: "Gott. Heimat. Familie."

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Eastwood ist ein effektiver Geschichtenerzähler, der die Spannungsschraube gekonnt anzuziehen versteht. Wenn Bradley Cooper als Todesschütze ein irakisches Kind im Visier hat, das womöglich eine Bombe bei sich trägt, dann steigt die Dramatik rapide: Wird er das Kind erschießen? Ja? Nein?

Bevor sich dieses Geheimnis enthüllt, schneidet Eastwood geschickt zurück in die Kindheit des Soldaten und jene Lehre, die ihm der Vater mit auf dem Weg gab: Es gibt Wölfe und es gibt Schafe. Und es gibt Schäferhunde, die auf die Schafe aufpassen.

So einfach ist das. Und so einfach bleibt es.

Bradley Cooper spielt Chris Kyle, ein Mitglied der Navy SEALs. Chris Kyle gab es wirklich, und er war "Legende". Er galt als der treffsicherste Todesschütze in der US-Militärgeschichte und konnte während seiner vier Einsätze im Irak mindestens 160 bestätigte "Kills" verzeichnen: Die Iraker fürchteten ihn als den "Teufel von Ramadi". Zurück in der Heimat, schrieb Kyle seinen Bestseller "American Sniper", auf dem Eastwood nun seinen erschreckend unterkomplexen, stellenweise sogar drögen Kriegsfilm basierte.

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In den USA löste "American Sniper" eine Debatte aus, ob Eastwood seinen Helden verherrliche oder nicht.

Mal vorsichtig ausgedrückt: Nach einer Kino-Vorstellung von "American Sniper" könnte man locker Bewerbungsbögen für das US-Militär verteilen und vertrauensvoll auf viele positive Rückmeldungen hoffen.

Eastwoods bleiche Bilder atmen harten Kriegsfilm-Realismus, seine Schnittfolgen sind dynamisch, die Action elegant-energetisch. Die Perspektive ist die eines Ego-Shooters, mit klar verteilten Fronten. Die Iraker heißen nur "die Wilden" und führen sich auch so auf: eine irakische Mutter schickt, ohne mit der Wimper zu zucken, ihren 12-Jährigen als Selbstmörder in die Schlacht, ein Kämpfer namens "Fleischhauer" tötet bevorzugt mit einem Drillbohrer (auch Kinder).

Kriegsjunkie

"Es geht nicht um die, es geht um uns", sagt Sienna Miller als einsame Ehefrau zu ihrem Mann, der als Kriegsjunkie lieber an der Front steht, anstatt zu Hause den Griller anzuwerfen.

Klar, Eastwood erzählt uns, dass Krieg die Leute wie eine Droge süchtig macht und dann für das zivile Leben ruiniert, und klar, ist das irgendwie auch kritisch. Aber das hat Kathryn Bigelow mit "The Hurt Locker" schon viel analytischer erzählt – und jenseits des melodramatischen Schematismus, der Eastwoods Film auf die Dauer so ermüdend macht: Jede Action-Szene wird mit Psycho- Bedeutung aufgeladen (erhöhter Blutdruck, Ehekrise) und was zuerst effektiv wirkt, wird klischiert. Ganz zu schweigen von dem Hauruck-Patriotismus am Ende.

Eastwood ist berühmt dafür, amerikanische Mythen auszustellen und zu befragen. Hier stellt er sie aus. Aber viele Fragen wirft er nicht auf.

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