Alex Kristan: „Ich ziehe durch den Kakao, aber nicht durch den Dreck“
Sein neues Programm „50 Shades of Schmäh“ ist auf Monate hinaus ausverkauft – selbst in den größten Hallen. Alex Kristan, 50 geworden, bleibt aber gelassen: Das Interview mit dem KURIER fand im Globe statt – quasi als Aufwärmrunde für den Auftritt. Und ohne Starallüren.
KURIER: Sie wurden in Mödling geboren – und gingen ins Kollegium Kalksburg. Scheint ein guter Ort für Kabarettisten gewesen zu sein.
Alex Kristan: Ja, der Robert Palfrader war dort und auch der Gerald Votava. Aber ich blieb nicht allzu lange. Aufgrund der überschaubaren schulischen Leistungen bin ich Ende der zweiten Klasse gegangen.
In Mödling formierten sich rund um Florian Scheuba die Hektiker. Hatte das einen Einfluss auf Sie?
Gar nicht. Ich hab’ nach der Einzelkaufmannslehre die Werbeakademie absolviert – und war dann im Marketing einer Autofirma. Erst mit 30 hab’ ich zu meiner Berufung, der Unterhaltung, gefunden. Und auch das erst aus einer Zäsur heraus. Weil mein Arbeitgeber, eine Media Service Agentur aus Frankfurt, Insolvenz anmelden musste.
Ich dachte, Sie arbeiteten als Motorsportreporter.
Ja, die Agentur hatte von Bernie Ecclestone die Rechte für die Radioberichterstattung gekauft. Ich war zwei Jahre mit der Formel 1 unterwegs. Wenn man dann zum AMS geht und sagt, dass man Formel-1-Reporter ist, wird man nicht gerade überschüttet mit Angeboten.
Und so beschlossen Sie, Kabarettist zu werden?
Mir war nachgesagt worden, dass ich das Talent hätte, Menschen zu unterhalten. Ich begann daher, Comedy-Kurzprogramme für Firmen zu entwickeln. Das ging recht gut. Nach der Lehman-Pleite 2008 hatten die Unternehmen andere Prioritäten, als Comedians zu buchen. So hab’ ich 2010 den Schritt in die Öffentlichkeit gewagt – gemeinsam mit dem Internisten Roman Szeliga. Anita Ammersfeld gab uns Termine in ihrem Stadttheater Walfischgasse. Wir kamen als Rookies – und spielten andauernd ausverkauft vor 270 Leuten. Normalerweise muss man sich erst jahrelang hochspielen.
2012 wollten Sie solo spielen ...
... und holte mit „Jetlag für Anfänger“ nach, was alle einmal spüren müssen: vor 24 Leuten in Saalfelden zu spielen. Du musst eben, wie im Profisport, deine Stationen abarbeiten. Das Globe mit 1.250 Sitzplätzen ist dann die Champions League, und wenn man solche Häuser mehrfach ausverkauft, ist das die Krönung. Noch dazu mit „Kleinkunst“. Denn das feinkonturierte Spiel ist da gar nicht möglich. Die Menschen in der ersten Reihe kann ich mit einem Augenzwinkern zum Lachen bringen, aber die ganz hinten kriegen die Veränderung der Mimik nicht einmal mit. Du musst daher mit viel mehr Dynamik spielen.
Viele Komiker sind privat Melancholiker. Wie ist das bei Ihnen?
Ich glaube schon, dass du als Komiker eine Grundheiterkeit in dir tragen musst. Oder du bist ein derart exzellenter Schauspieler, dass du schlagartig lustig bist, wenn du die Bühne betrittst. Im Rampenlicht bejubelt zu werden ist toll, aber man muss auch abseits der Bühne sowas wie Zufriedenheit spüren. Wenn du die nicht hast und dir vielleicht auch noch was darauf einbildest, dass du der Star bist, wird’s hintenraus am Long Run schwierig. Umgekehrt wäre es aber auch absurd zu glauben, dass wir Comedians permanent gut gelaunt durch den Alltag hüpfen.
Der Alex Kristan auf der Bühne ist daher nicht der echte Alex Kristan, auch wenn er authentisch wirkt?
Das heißt nicht, dass ich privat nicht auch gern eine Hetz hab’. Und das, was ich auf der Bühne mache, geschieht intuitiv. Wenn ich die Anweisungen eines Regisseurs befolgen müsste, wär’ ich nicht mehr ich selbst. Also hat der Alex Kristan auf Bühne viel vom privaten Alex Kristan. Der Unterschied liegt beim Erzählen im Grad der Überzeichnung.
Wird dem echten Alex Kristan irgendwann der Erfolg zu Kopf gestiegen sein?
Das kann ich ausschließen. Ich bin nix Besseres, nur weil ich auf einer Bühne stehe. Ich darf mit meinem Talent meinen Lebensunterhalt bestreiten, und das ist ein Riesenprivileg, das man sich gar nicht oft genug ins Bewusstsein rufen kann.
Sie betonen jedes Mal beim Verbeugen, dass Sie demütig sind.
Ich hab’ mir das zur Gewohnheit gemacht, seit ich auf den großen Bühnen spiel’, also im Theater im Park, auf der Donaubühne Tulln, im Veranstaltungszentrum St. Pölten und so weiter. Da kommen oft über 2.000 Menschen nur wegen mir! Die haben alle einen Arbeitstag hinter sich, sind müde oder haben Sorgen. Und haben Geld für die Karten ausgegeben, obwohl die Lebenshaltungskosten massiv gestiegen sind. Mich zu bedanken, ist für mich eine Selbstverständlichkeit wie nachher für Selfies oder Autogramme zur Verfügung zu stehen.
In den Programmen kommt immer „die Gebenedeite“ zu Wort. Welchen Anteil hat Ihre Frau an Ihrem Erfolg?
Einen wesentlichen. Wir haben geheiratet, als ich mit meinem ersten Solo rauskam. Sie hat mir damals gesagt: „Ich unterstütz’ dich und deine Karriere!“ Der Job verlangt ja nicht nur von mir Flexibilität, sondern auch von ihr. Denn ich hatte jede Woche drei, vier Auftritte irgendwo. Und wir hatten kein Kind in die Welt gesetzt, um es von einer Nanny großziehen zu lassen. Meine Frau blieb also daheim. Diese Rollenverteilung mutet vielleicht überholt oder konservativ an, aber für uns war sie perfekt – und auch „Hausfrau“ ist ein Job, der fälschlicherweise oft unterschätzt wird.
Bekannt wurden Sie als Stimmenimitator. Sie parodieren aber fast nur Sportler – und die sind jetzt schon alt oder tot. Warum suchen Sie sich nicht jüngere?
Super Input! Wird mir immer wieder vorgeschlagen. Ich sage dann: „Gern, aber wen?“ Ich kenne keinen unter 30, der das Charisma von einem Arnold Schwarzenegger, einem Hermann Maier oder einem Hans Krankl hätte. Marcel Sabitzer wäre eine Möglichkeit: Der spielt bei Bayern München und ist ein Star. Aber kein Mensch weiß, wie der red’t. Daher ist er für eine Parodie nur sehr bedingt geeignet.
Der Anteil der Parodien in einem Programm hat abgenommen?
Sie kommen zwar weiterhin vor, aber eher punktuell. Ich will lieber ein Geschichtenerzähler sein – und liebe es, Bilder in den Köpfen meines Publikums entstehen zu lassen.
Sie wollen nicht belehren, aber doch eine Botschaft vermitteln?
Wir leben in einer so turbulenten Zeit mit täglichen Bad News, dass ich nicht auch auf der Bühne den Kübel mit politischen Verfehlungen ausleeren möchte. Und ich zieh’ die Leut’ gern durch den Kakao, aber nicht durch den Dreck. Ich will meinem Publikum einfach zweieinhalb Stunden lang eine gute Zeit bieten – und zwar ohne mich als intellektuelle Instanz aufzuspielen. Denn schon die Ausgangsposition ist eine ungleiche: Das Publikum sitzt, du stehst über ihnen. Ich verpacke meine Anliegen daher so, dass die Leut’ es nehmen können. Etwa, wenn ich über das Frauennationalteam spreche, aber gleichzeitig anmerke, dass eine geschlechterneutrale Bezahlung mehr für die Gleichstellung brächte als eine gegenderte Bundeshymne.
Sie verwenden sehr viele österreichische Wörter wie „anwischerln“ und „bürschtln“, der „G’schropp“ und das „G’schloder“ tauchen auf. Ist das programmatisch?
Ich red’ so, wie ich aufg’wachsen bin. Und ich verwende vieles, was im Gespräch unter Freunden gefallen ist, zum Beispiel der Satz: „Bei dem foahrt der Lift a net bis auffe!“ Aber mir geht es schon auch darum, den österreichischen Sprachschatz zu bewahren, alte Ausdrücke zu verwenden, die man fast nicht mehr hört. Weil ich sie schön find’. Und die Leut’ mögen das.
Sie tragen im Winter „Handsch“, manche haben „den Schlapfen offen“, Ihr Großvater hat gern eine „Schachtel Smart obeg’rissen“. Wie kam es zu dieser Rückbesinnung?
Wenn ich meiner Tochter Kinderbücher vorg’lesen hab’, hab’ ich mich bemüht, simultan den Text ins Österreichische zu übersetzen. Also „Schau mal!“ statt „Guck mal!“ oder „Kübel“ statt „Eimer“ oder „Stiege“ statt „Treppe“ und „Haube“ statt „Mütze“. Die Kinderbücher kommen halt großteils von deutschen Autoren – wie die Lesebücher für die Schule. Und wenn meine Tochter sagt, sie habe auf die Mathe-Schularbeit „eine Eins bekommen“, dann konter’ ich: „Nein, Du hast an Anser kriegt! Einen Einser!“ Die Jugend steht natürlich unter dem Einfluss der sozialen Medien. Und es gibt keine österreichische Plattform, die relevant ist. So wird unsere Sprache sukzessive „germanisiert“, bis es sie irgendwann gar nicht mehr gibt. Dann werden wir alle ein Einheitshochdeutsch sprechen. Das finde ich schade, weil Dialekt ein Teil der Identität ist, die verloren geht.
Und was machen Sie, wenn Sie in Deutschland spielen?
Bayern ging’ sich eventuell aus, aber für alles, was weiter nördlich ist, müsste ich mein Programm umschreiben. Dazu fehlt mir der Ehrgeiz und die Lust. Ich muss aber ehrlicherweise dazusagen: Ich hab’ in Österreich zum Glück mehr Anfragen, als ich spielen kann. Ich muss jetzt nicht aus Eitelkeit auch noch in Deutschland auftreten.
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