Albertina modern: Die Kamera als Werkzeug in der Kunst
Unterbelichtet erschien bisher das Bild der Fotokunst-Szene um 1900, die mit den zeitgenössischen künstlerischen Avantgarden eng verbunden war. Das ändert sich nun mit der von Astrid Mahler kuratierten Ausstellung „Piktorialismus“. Denn da gibt es viel zu entdecken unter den 104 Exponaten aus fast ausschließlich eigenen Beständen der Albertina – im Wechselspiel mit der Moderne zwischen Historismus, Jugendstil und Modernismus.
„Fotografie als Kunst“
Hingehaucht wie die Malerei der Impressionisten, weich durchgezeichnet wie mit einem Kohlestift und voller Atmosphäre ähnlich der französischen Barbizon-Schule: Die Bildsprache des Piktorialismus sollte mit fotografischen Mitteln eine einem Gemälde ähnliche Bildwirkung erzeugen. „Fotografie als Kunst“ wird zunächst explizit in England propagiert. Pioniere auf der Insel sind der Landschafts- und Genremaler David Octavius Hill und der Fotograf Robert Adamson: Sie verwendeten bereits in den 1840er-Jahren als Negativmaterial gewachstes Aquarellpapier, durch dessen Grobfasrigkeit eine sanfte Unschärfe zu erzielen war.
Wie mit der Kamera gemalt wirken auch die Porträtfotografien aus den 1860ern von Julia Cameron, während Henry Peach Robinson in den 1880ern Bilder arrangierte.
„Interessanterweise ist die österreichische Fotografie um 1900 maßgeblich von Amateuren beeinflusst“, sagt Direktorin Angela Stief. Im Fokus stehen Hugo Henneberg, Hans Watzek und vor allem der dem Impressionismus nahestehende Heinrich Kühn.
Vereint durch ihre private Freundschaft, bilden die drei eine Künstlergruppe, die sie „Wiener Kleeblatt“ oder „Trifolium“ nennen. Ihr Anliegen ist es, die Fotografie zum künstlerischen Medium aufzuwerten und sie der Malerei gleichzustellen. So verwendete Kühn im „Sonnenschirm“ Techniken, die als sensationell empfunden wurden. Die enge Freundschaft zwischen Kühn, der mit Technik und Material experimentierte und den sogenannten „Gummidruck“ perfektionierte, und dem Amerikaner Alfred Stieglitz machte den österreichischen Hobbyfotografen international bekannt. In der Ausstellung sind seine Landschaftsbilder, Stillleben und Porträts der modernistischen Bildästhetik von Stieglitz etwa in „Das Zwischendeck“ gegenübergestellt. Und auch Edward J. Steichens New Yorker Wolkenkratzer-Motiv „The Flatiron“ (1904) demonstriert kraftvoll, dass es die Fotografie durchaus mit der Malerei aufnehmen kann.
Der Piktorialismus hatte auch Einfluss auf die Ästhetik der gewerblichen Porträtfotografie. Die berühmte Gesellschafts- und Modefotografin Dora Kallmus – mit einem Porträt des Komponisten Alban Berg von 1909 vertreten – holte sich für ihr Wiener Atelier d’Ora als zahlende Schülerin Anregungen bei Nicola Perscheid in Berlin.
Schließlich immer wieder faszinierend ist der Umgang von Rudolf Koppitz mit Licht-Schatten-Kontrasten: Wie er in der „Bewegungsstudie“ (1925/’26) in der fließenden Bewegung der Tänzerinnen die dunkle Sinnlichkeit und den rätselhaften Symbolismus der Wiener Secession zum Ausdruck bringt, gehört zu den Höhepunkten der heimischen Fotogeschichte.
„Piktorialismus“
Die Schau widmet sich den Anfängen der Kunstfotografie und spannt den Bogen von der frühen Amateurfotografie des späten 19. Jahrhunderts bis zur Kunstfotografie der Zwischenkriegszeit
Wann & Wo
Bis 26. 4. (Katalog zur Ausstellung: 24,90 Euro); Albertina modern, 1., Karlsplatz 3; täglich 10 bis 18 Uhr, www.albertina.at
Kommentare