Da ist er also wieder, dieser eine Akkordwechsel, der die hellstimmige Seifenblasenglitzerschlaghosenstimmung schwarz umflort, der beim hüftgelenksneutralen Tanzschritt den Boden wegzieht. Er findet sich im neuen Song „I Can Be That Woman“.
Es gibt auch wieder diese auf „Widerstand ist zwecklos“-Eingängigkeit hochproduzierten Refrains, die aus allen Popmusikrohren feuernden Riesensongs zum sofortigen Mitmachen, es gibt Balladen und Tanzmusik.
Es ist wahnsinnig gut gemacht.
Und absolut kein Fremdkörper im heutigen Musikmarkt: Der ist, wie auch der Kino- oder Fernsehmarkt, von Nostalgie durchtränkt. „Voyage“ ist eine Trägerrakete für kaufkräftige Babyboomer, mit der die sich – wie jeder dahergelaufene Milliardär ins All – in leichtere Zeiten zurückschießen können. In die 70er und 80er Jahre, als, erzählt man sich schnell einmal, die Popmusik noch wirklich gut war im Gegensatz zu heute (und so weiter, Sie kennen das).
Das Gute an ABBA ist, dass die Schweden weit mehr sind als nur ein Vehikel für Spätfrühlingsgefühle am Lebensweg. Deren Musik – 380 Millionen verkaufte Alben! – hat schon mehrere Runden durch zahlreiche Zielgruppen gedreht. Und nicht zuletzt auch jene auf ihrem Weg an die Öffentlichkeit begleitet, die ihre Sexualität in den (vielleicht doch gar nicht nur suprigen) 70ern und 80ern noch geheimhalten mussten.
Es ist also doch etwas weitergegangen inzwischen, und das macht „Voyage“ zu mehr als einer Vorlage für die kommende Londoner Digital-Show, mit der ABBA in den nächsten Monaten noch ein wenig zur eigenen Pensionsvorsorge beitragen werden.
Der Popmarkt geht inzwischen auch weit würdevoller mit jener Art von Kommerzialität um, für die ABBA vor den „Superstars“ der 80er den Weg geebnet haben: Mit Hits von „Mamma mia!“ bis „Super Trouper“ wurden einst mit eiserner Komponistenhand unverwüstliche Songs geschmiedet, die versöhnen und unterhalten wollen und sonst nichts. Und das ist auch gut so.
Auch daran knüpft „Voyage“ an: Das neue Album ist wie ein Best-Of-Remix all der bekannten ABBA-Grundzutaten. Ulvaeus und Andersson zeigen sich als Dienstleister an den Fans, ganz ohne Anspruch auf späte Selbstverwirklichung.
Das ist nicht ganz unsympathisch, wird aber eher nicht für generationenverbindenden Gesprächsstoff am Familienfrühstückstisch sorgen: Das ist ganz klar Papa- und Mamamusik, aus der zwar die Musik von Sohn und Tochter und Enkerln genährt und großgezogen wurde, die vielen Jungen aber vorkommen wird wie eine musikalische Paleo-Diät. Eine „Voyage“ in allzu abgesteckte Gebiete.
Sei’s drum: Auch Fan-Service hat seinen Wert (wann gab es das letzte Bon-Jovi-Album, das nach einem neuen Bon-Jovi-Album geklungen hat?). Also, all jenen die es mögen: Gute Reise.
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