2017: Das bisher beste Jahr für den Horrorfilm

Stephen Kings "Es"
So viel Geld wie heuer nahmen Horrorfilme noch nie an der Kinokassa ein. Aber auch etwa bei "Stranger Things" auf Netflix fürchten wir uns gerne. Warum eigentlich?

Furchterregendes Geplänkel um einen Nuklearwaffen-Einsatz in Asien (oder Amerika). Verheerende Umweltkatastrophen. Österreichische Wahlkampf-Nachspiele.

Eigentlich wäre ja jetzt die Zeit, in der man wirklich sehr gut Superhelden brauchen könnte, um sich in schwierigen Zeiten zumindest im Kino an einfachen Lösungen für komplizierte Probleme (und engem Gewand an muskulösen Körpern) erfreuen zu können.

Doch ausgerechnet jetzt schwächelt jener Superheldenfilm-Boom, der in den letzten paar Jahren die Kinocharts zu Monokulturen gemacht hat. Die letzten Filme waren nicht übermäßig erfolgreich (wir kommen aus dem schlechtesten US-Kinosommer des Jahrtausends), die Vorfreude auf die vielen noch kommenden Streifen um Super-, Spider-, Bat- und all die anderen Männer ist spürbar gedämpft.

Doch keine Sorge: Seit September surrt der Kinoapparat wieder auf Hochtouren, und zwar dank eines Genres, das zuletzt abgeschrieben war. Und das vielleicht ein wenig gegen die Logik gerade jetzt ein Comeback feiert: 2017 wird das bisher erfolgreichste Jahr für Horrorfilme gewesen sein.

Wenn man sich schon fürchten muss, so fürchtet man sich eben im Kino.

Horrorkönig

Besonders gerne bei einem bestimmten Film: Just zum 70. Geburtstag von Horrorkönig Stephen King kam der erste Teil der Neu-Verfilmung seines besten Buches, "Es", in die Kinos. Und wurde dort zu einem selbst für die Produzenten überraschenden Erfolg. Allein in den USA hat der Film bisher 320 Millionen Dollar eingespielt, weltweit sind es noch einmal 330 Millionen gewesen. 650 Millionen also für einen Film, der gerade einmal 35 Millionen gekostet hat. Und noch läuft.

Auch "Get Out", eine international eher schwierig zu verkaufende Mischung aus Horrorfilm und Rassismus-Kritik, nahm in den USA 150 Millionen ein. Rund um Halloween ziehen nun traditionsgemäß noch einige kleinere Produktionen mehr Besucher an, als sie es eigentlich verdienen würden. Insgesamt sollen Horrorfilme heuer mehr als 730 Millionen Dollar in Nordamerika einnehmen. Das ist Rekord und stellt laut New York Times sogar einstige große Jahre des Genres in den Schatten, etwa als 1973 der "Exorzist" in die Kinos kam.

Horror war aber immer auch ein Genre für zu Hause. Als es noch Videotheken gab, konnte man sich dort vielleicht nicht ganz so anspruchsvolle, aber ihren Zweck erfüllende Filme ausleihen. Der Horrorfreund von heute wird über Streamingdienste bedient.

So verzeichnet Netflix etwa einen gewaltigen Überraschungserfolg mit "Stranger Things", einer Serie über eine unheimliche Parallelwelt, in die ein Bub in den 80er-Jahren entführt wird, woraufhin ihn seine Freunde und Familie suchen – und retten wollen. Das alles verpackt in Nostalgie, die sich nicht nur optisch, sondern auch inhaltlich niederschlägt: "Stranger Things" ermöglicht den Wiederbesuch von Fixpunkten des Horror-Films der 70er- und 80er-Jahre, gedreht mit den heutigen Budgetmitteln des schönen neuen Fernsehens.

Nicht zuletzt das Freundschaftsthema und das Aufeinanderknallen von Kleinstadt-Idylle und Horror-Handlung erinnern recht stark an "Es". Aber auch King-Originale gibt bzw. gab es im Fernsehen: "Gerald’s Game", "Mr. Mercedes" und "The Mist" sind 2017 angesagt.

Grusel also in gruseligen Zeiten. Warum jetzt? Wohl nicht zuletzt deshalb, weil die anderen großen Gemeinschaftsstifter, die Komödien und die Romanzen, des Kinogenres zuletzt abgemeldet waren. Grusel aber ist ein gemeinsames Gefühl – und daher den Kinobesuch wert.

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