20 Jahre "Schuh des Manitu": Debatte um Darstellung Homosexueller
Es war vor 20 Jahren - zwei Monate vor dem 11. September und gut einen Monat nach Klaus Wowereits "Ich bin schwul - und das ist auch gut so!". Am 19. Juli 2001 kam die Karl-May-Film-Parodie "Der Schuh des Manitu" in die deutschen Kinos und nur einen Tag später in die österreichischen. Michael "Bully" Herbigs Persiflage auf die alten Winnetou-Filme löste damals mit 11,7 Millionen Besuchern "Otto - Der Film" als erfolgreichsten bundesdeutschen Nachkriegskinostreifen ab.
Radikale Klischee-Verdichtung und ihre "Aufhebung im kompletten Nonsens - all das macht den besonderen Reiz dieser Westernklamotte aus", rezensierte damals die Nachrichtenagentur dpa. In dem Film geht es um die beiden zu Unrecht des Mordes beschuldigten Blutsbrüder Abahachi (Herbig) und Ranger (Christian Tramitz). Die Abbilder der legendären Blutsbrüder Winnetou und Old Shatterhand sprechen einen sehr speziellen Südstaatendialekt: Bayerisch. Sie suchen nach einer Schatzkarte für einen Edelstein, der ihnen helfen könnte, sich freizukaufen. Doch der wahre Mörder, Gangsterboss Santa Maria (Sky du Mont), ist auf ihren Fersen. Und dann ist da noch der bisher verschwiegene schwule Abahachi-Zwillingsbruder Winnetouch, der auf der "Puder Rosa Ranch" eine Schönheitsfarm betreibt und in die Jagd nach dem Schatz hineingezogen wird.
An dieser Figur übt der Autor Johannes Kram seit Jahren Kritik. In seinem Buch "Ich hab ja nichts gegen Schwule, aber... - Die schrecklich nette Homophobie in der Mitte der Gesellschaft" wirft er dem Film vor, Klischees kultiviert und lange dafür gesorgt zu haben, dass queere Belange nicht ernst genommen wurden. "Deutschland kann endlich über sich selber lachen, bildete es sich damals ein. Dabei lachte es vor allem über Homosexuelle, besser gesagt tuntige Schwule." Wer das aber sage, gelte als Spielverderber, so die These.
Kram sieht beim "Schuh des Manitu" humortechnisch "eine Renaissance des Schenkelklopferspaßes der Wirtschaftswunderzeit". Bullys Tuntenparodien seien im Gegensatz zu anderen Schwulenwitzen rund um das Jahr 2000 - etwa von Stefan Raab oder Oliver Pocher - oft fein beobachtet und gekonnt gespielt. Dennoch dränge sich der Verdacht auf, dass man in der damals rot-grünen Republik mit der neuen Eingetragenen Lebenspartnerschaft für Lesben und Schwule irgendwie erwartete, dass die Homos nun zufrieden sein müssten und gefälligst bei ihrer Lächerlichmachung mitlachen sollten.
Angesprochen auf solche Kritik sagte Herbig 2015 dem "Zeit"-Magazin: "Wir würden es genau so wieder machen." Man lache die Tunten nicht aus. "Ich habe mir das ja nicht ausgedacht, sondern abgeguckt." Schwule Freunde hätten Tränen gelacht, sich weggeschmissen.
Fünf Jahre später reagierte Herbig 2020 in einem dpa-Interview schon anders: "Ich bin mir nicht sicher, ob ich diesen Film heute nochmal so machen würde, weil man sich selber auch verändert hat." Und zur Frage, ob man Schwule parodieren dürfe: "Wir arbeiten in einer Branche, in der man ständig mit schwulen Kollegen zu tun hat." Man möge sich. "Wenn da jemals einer gekommen wäre und uns gesagt hätte, ihr tut uns weh damit, hätten wir sofort die Finger davon gelassen."
Die ganze Debatte sticht ins Wespennest politischer Korrektheit. Kram kontert jedoch, er wolle gar nicht Spaßpolizei spielen. Natürlich dürfe man auch über Homosexuelle lachen. "Und natürlich kann Humor nicht gerecht sein, er muss inkorrekt sein, überzeichnen, Klischees strapazieren." Doch ob Lustiges etwa schwulenfeindlich sei, sehe man simpel daran, ob es abwerte. "Auch wenn man ihn wie Bully charmant findet, den dummen Homo. Wenn es der dumme Homo ist, weil er dumm ist, weil er homo ist: Dann ist es Homophobie."
Bleibt die Frage: Ist deutscher Humor nur dann erfolgreich, wenn er sich über Minderheiten wie Schwule oder auch Schwarze lustig macht? 35 Jahre nach "Otto - der Film" wurde 2020 über rassistische Begriffe darin debattiert. In einer Szene verkauft Otto einen Schwarzen (gespielt von Günther Kaufmann) als angeblichen Sklaven an eine ältere Dame. Dabei fällt auch öfter der früher übliche Begriff für schwarze Menschen (das sogenannte N-Wort).
Otto Waalkes rechtfertigte dies kürzlich in einem Interview der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung": "Wenn man satirisch mit solchen Themen umgeht, versucht man, Rassismus zu entlarven. Darum geht es in der Szene, die Frau war ja unbewusst rassistisch. So etwas kann falsch aufgefasst werden, das Risiko geht man ein, aber es hat funktioniert." Auf den Einwand des F.A.Z.-Interviewers, seinen beiden Töchtern erschließe sich die vermeintlich subversive Komik der Szene heute nicht, antwortete Otto: "Dann müssten Sie es ihnen erklären."
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