Wo dem Sport ein Baum aufgestellt wird

"Tagebuch": Trotz solcher alarmierender Tatsachen wird das Ressort Sport herumgekickt wie ein zerbeulter alter Fußball.
Wolfgang Winheim

Wolfgang Winheim

Der Sport bleibt unerwähnt. Das war schon vor dem letzten und vorletzten Wahlkampf so und wird auch danach bei der nächsten und übernächsten Regierungsbildung so sein. Gleichgültig, wer mit wem koaliert.

Zugegeben. Umweltschutz, Migration, Bildung sind vorrangige Themen. Doch auch das Ressort Sport schreit nach mehr Bewegung bei den Entscheidungsträgern , wenn

... fast ein Drittel der österreichischen Jugendlichen bereits übergewichtig ist;

...wenn bei der Bundesheer-Musterung die Zahl der Untauglichen rekordverdächtig steigt.

Trotz solcher alarmierender Tatsachen wird das Ressort Sport herumgekickt wie ein zerbeulter alter Fußball. Einmal zum Unterrichts-, dann zum Gesundheitsministerium, einmal eigener Sportstaatssekretär, ein anderes Mal der Kanzler himself nebstbei Österreichs Obersportler und bis Mai Ibiza-HC zugleich Vize und Sportminister, der reif für die Insel ist.

Die Person, die das Sportressort im Herbst erbt, wird bereits die 14. seit der Jahrtausendwende sein, die für den Sport die Letztverantwortung im Staat übernimmt.

Dass der/die künftige SportchefIn der Nation die (schon nach den Olympischen Spielen 1912!) erhobene Forderung nach der tägliche Turnstunde erfüllen wird, ist zu bezweifeln. Zu wenig Personal, zu wenig (offene)Sportplätze und Turnsäle. Auch der Ruf nach einem einem neuen Nationalstadion wird wieder verpuffen.

Wiens Sportstadt Peter Hacker sprach sich in einem KURIER-Interview gegen einen Stadionneubau aus. Der Mann erinnert in seiner deftigen Wortwahl an seinen legendären Lehrmeister Helmut Zilk, der einst nach Ländermatchpleiten der Nationalelf sogar volksnah ultimativ gedroht hatte, sie nicht mehr in Praterstadion spielen zu lassen.

Mehr contra als pro

Auch Hacker bewies einen guten Riecher. Bei Online-Umfragen von KURIER und Krone stimmten über 70 Prozent gegen ein Nationalstadion.

Bedenklicher als die ablehnende Haltung der Steuerzahler (Nein-Sager sind erfahrungsgemäß leichter zu motivieren) gegenüber einem neuen, großen Stadion-Tempel ist, dass immer mehr kleinen Klubs der Kollaps droht.

Zehn haben allein in Niederösterreich heuer zugesperrt. Oft sind Anrainer, die sich vor Schiedsrichterpfiffen gestört fühlen, froh, wenn auf Sportplätzen für immer das Flutlicht erlischt. In Wien-Nähe war vor drei Jahren sogar dank einer Bürgerinitiave plus einer ungewöhnlichen Allianz von grün-blau ein Sportplatz-Neubau trotz der dafür bereits genehmigt gewesenen sechs Millionen Euro verhindert worden, Der Verein ist seither aufgelöst. Argument eines Wirtshaus-Diskutierers: „Jeder Baum is ma lieber als a spielendes Kind.“

In Klagenfurter Stadion wiederum sieht man vor lauter Bäumen (konkret sind’s 299 auf dem Spielfeld) im Herbst keinen Ball mehr. Wegen eines Kunstprojekts muss der Kärntner Europa-League-Starter Wolfsberger AC seine klubhistorischen drei Gruppenspiele in Graz austragen. Das erste am 3. Oktober gegen die AS Roma.

Wenn sich ballverliebte italienische Journalisten darüber jetzt schon lustig machen und fragen, weshalb so eine Pflanzerei im einzigen international tauglichen Stadion des Bundeslandes möglich sei, dann reichen als Antwort zehn Worte.

Der Sport hat in Österreich keinen so hohen gesellschaftlichen Stellenwert.

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