Time-Slots sind das Gegenteil der gern beworbenen Wiener Gemütlichkeit
Es ist nur unschwer zu erkennen: Wien ist voll. Überfüllt. „Städtetourismus in Wien heuer massiv im Aufschwung“ und „Zu viele Touristen“ lauten die dazu passenden Schlagzeilen. Während sich einige die Hände reiben, hat man als Einwohner (ohne Hotel, Restaurant, Airbnb-Wohnung usw.) relativ wenig (nichts) vom Massentourismus. Im Gegenteil. Dieser kostet sogar was – nämlich Nerven. Vor allem dann, wenn man an so einer Touristen-Drehscheibe (z. B. Stephansplatz) vorbeikommt. Dort kann man sich beim „Touristenausweichen“ beweisen. Keine einfache Aufgabe, denn die stehen überall herum oder laufen – mit dem Blick ins Smartphone gerichtet – kamikazemäßig in einen hinein.
Am wenigsten stören Touristen übrigens, wenn sie brav in der Schlange stehen – vorm Café Sacher, Central und dem Würstelstand bei der Albertina. Dort sind sie auch unter sich, denn eine Wienerin, ein Wiener würde niemals auf die Idee kommen, sich für eine okaye Käsekrainer oder einen durchschnittlichen Kaffee für viel Geld (eine Melange kostet im Sacher 7,10 €) anzustellen. Aber viele Touristen können Wien scheinbar nicht ohne Selfie mit einer „Eitrigen“ oder der „Originalen Sacher-Torte“, die man im Sacher für 9,90 € verspeist hat (Schlagobers immerhin inklusive), verlassen.
Dass im Sacher (und Central) nur noch Touristen neben Touristen sitzen, scheint Touristen aber nicht weiter zu stören. Stören würde es sie wohl auch nicht, wenn Kaffeehäuser im ersten Bezirk Time-Slots (Zeitlimits für den Aufenthalt) einführen würden (was sie eh nicht vorhaben, wie Kollege Kralicek an dieser Stelle bereits geschrieben hat).
Dass solche Time-Slots vor allem in der Gastronomie überhandnehmen, widerspricht der in Reiseführern gerne beworbenen Wiener Gemütlichkeit und Geselligkeit. Die leben ja bekanntlich davon, dass man es sich in einem Kaffeehaus oder in einem Wirtshaus gemütlich macht, redet, trinkt, lacht, isst und die Welt (draußen vor der Tür) vergisst.
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