"ÜberLeben": Deine erste Wurzelbehandlung (Teil 2)

Glück ist, wenn der Schmerz ausbleibt!
Guido Tartarotti

Guido Tartarotti

Guido, heute hast du deine erste Wurzelbehandlung!“, sagt meine Zahnärztin, und strahlt mich an, als würde sie mir verkünden, dass ich Geburtstag habe. Und zum ersten Mal in meinem Leben habe ich beim Zahnarzt Angst. „Wurzelbehandlung“ ist ein unerfreuliches Wort, wie „Graupelschauer“, „Gaspreis“ oder „Zylinderkopfdichtung“.

Andererseits ist meine Zahnärztin eine alte Freundin, der ich blind vertraue. Ich gehe davon aus, sie kann eine Wurzelbehandlung so handhaben, dass es nicht wehtut und am Ende alles gut ist und ich vergnügt Richtung Sonnenuntergang reiten kann.

Nach drei Spritzen fühle ich tatsächlich mein Gesicht nicht mehr und habe im ganzen Kopf  das Gefühl, das man in Wien „bamstig“ nennt. Anders gesagt, ich sehe  nicht mein Leben an mir vorüberziehen, als sich die Zahnärztin mit einem furchteinflößenden Gerät in der Hand über mich beugt.

Meine Zahnärztin erklärt mir, dass mein Mund die größte Herausforderung für ihre Branche darstellt, denn der böse Zahn sitzt rechts unten ganz hinten, wo sie als Rechtshänderin besonders schlecht hinkommt. Außerdem habe ich angeblich eine besonders geringe „Mundöffnung“, anders gesagt: Ich bringe die Pappen nicht auf. „Erstaunlich“, sagt sie, „du hast doch sonst immer den Mund offen“, und es klingt bei ihr tatsächlich charmant.

Während der Behandlung bin ich ein paar Mal geneigt, in milde Panik zu verfallen, vor allem, weil ich meinen Schluckreflex nicht kontrollieren kann. Meine Zahnärztin lenkt mich ab, indem sie mir Tausend Fragen stellt, auf die ich natürlich nur mit „Grmpflkrxs“ antworten kann: Innenpolitik, Ukraine-Krieg, Theaterpremieren, Wirtschaft ... Ich beschließe, ihr nach der Behandlung alle Antworten in einem einzigen, fünf Kilometer langen Satz nachzuliefern.

Dann ist es schon vorbei und ich bin tatsächlich euphorisch: Glück ist, wenn der Schmerz ausbleibt.

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