Warum es besser ist, viele Bäume zu pflanzen als keinen
Bäumeumarmen war gestern. Derzeit liegt Bäumepflanzen im Trend. „Weil der Baum ein starkes Symbol für Wachstum, Dauerhaftigkeit und den Glauben an die Zukunft ist!“, lese ich in einem Männer-Blog.
Eh logisch
Wenn heute niemand Bäume pflanzt, werden kommende Generationen irgendwann keine Bäume mehr umarmen können. Und wer Bäume pflanzt, braucht sie gar nicht zu umarmen, denn der umarmt sowieso die ganze Welt (das ist übrigens kein berühmtes Sprichwort, sondern nur meine momentane Stimmungslage angesichts der Betonier- statt Renaturierströmungen, die uns als Gesellschaft gerade wieder einmal abdriften lassen).
Ich kenne zufällig einen Mann, der heuer schon mehr als 300 Bäume gepflanzt hat. Naja, ich kenne ihn nicht ganz zufällig, eher vorsätzlich, wir sind, nach reiflicher Prüfung, sogar verheiratet. Die Prüfungsphase eins bestand aus 22 gemeinsamen Jahren. Die Sonderprüfung hieß: Wir ziehen aufs Land!
Wer dann noch heiratet, meint es tatsächlich ernst miteinander.
Der Lieblingsmann hat also binnen eines Jahres mehr Bäume gepflanzt, als mancher Hollywoodstar in einem ganzen Leben Häuser kauft und Kinder zeugt.
Um bei der Wahrheit zu bleiben: Es sind derzeit eher Pflanzenkinder als ausgewachsene Bäume. Manche haben kaum einen Zentimeter Durchmesser, einige ragen noch nicht höher als 40 Zentimeter aus der Erde.
„300 Bäume? Wieso tut ihr das?“
Die Flatterulmen, Sommer- und Winterlinden, Eichen, Speierlinge, Wildäpfel, Wildkirschen, Kastanien ... in unseren Baumkinderstuben sind zarte Pflänzchen, die Zuwendung brauchen, aber noch lange nicht im umarmungsfähigen Alter sein werden.
In einer Galaxie, in der alles ständig noch schneller gehen muss, ist das Bäumepflanzen vielen ein Rätsel: „Wieso tut ihr das?“, werden wir oft gefragt. „Ihr habt doch nichts mehr davon! Wenn diese Bäume richtig groß sind, seid ihr tot.“ Mag sein. Wozu also?
Als wir hierherkamen, waren bereits viele Bäume da. Und die Menschen, die einige dieser Bäume gepflanzt hatten, waren schon tot. Die Bäumen, die hier leben, tragen die köstlichsten Früchte, und in den Bäumen, die nicht mehr tragen, nisten seltene Fledermaus- , Vogel- und Insektenarten.
Die Bäume werden da sein
Deren Nachwuchs wird immer noch hier wohnen, wenn wir nicht mehr da sind. Die Bäume werden da sein und andere Menschen glücklich machen, die dann hoffentlich neue Bäume pflanzen. Aber das entscheiden die dann. Wir entscheiden heute.
Im Grunde ist es ganz einfach: Ein Miteinander besteht aus Entnehmen und Einzahlen. Wir nehmen uns, ganz selbstverständlich, das, was schon vor uns da war. Warum also müssen wir ständig Erklärungen dafür liefern, dass wir etwas tun, das dann spätere Generationen für sich beanspruchen können?
Um diese Frage ein für alle Mal mit einem berühmten Sprichwort zu beantworten: „Die beste Zeit, einen Baum zu pflanzen, war vor 20 Jahren. Die zweitbeste Zeit ist jetzt.“ Und jetzt und jetzt.
Die Autorin betreibt mit ihrem Mann einen Bioobsthof im Südburgenland. Email: birgit@wunderbarestreuobstwiese.at.
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