Stadt, Land, Flucht: Mitarbeiter des Monats

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Birgit Braunrath über Maulwürfe und Marienkäfer auf ihrer Streuobstwiese im Burgenland.

Die Frage kommt immer dann, wenn wir vom Säen, Pflanzen, Gießen, Mähen, Heuen ..., von Ernte, Baumschnitt, Obstverarbeitung und all unseren anderen Lieblingsbeschäftigungen erzählen: „Wie viele Mitarbeiter habt ihr?“ Der Lieblingsmann und ich, beide Co-Betriebsführer und ständig im Zeitraffermodus unterwegs, mit, gefühlt, acht Armen und ebensovielen Beinen, antworten dann stolz: „Gar keine.“

Genau genommen stimmt das aber nicht. Da draußen tummeln viel sich mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, als wir Arme und Beine, Hände und Füße haben. Nicht alle sind willkommen. Aber sie ziehen einfach ein und gehen, ohne Meldezettel und Dienstvertrag, eigeninitiativ ihrer Tätigkeit nach.

Keine Jobbeschreibung, keine Lohnverhandlung. Sie beziehen ihr Einkommen in Naturalien, aber nach eigenem Ermessen. Und das ist nicht immer deckungsgleich mit unserem Ermessen. 2023 haben die Nacktschnecken die erste und zweite Aussaat komplett abgeräumt, 2024 haben uns die Maulwurfsgrillen die Wurzeln aus der Erde und die Haare vom Kopf gefressen. Heuer ist die Grüne Reiswanze in Massenpopulation zugezogen. Die sticht alle Gemüse und Früchte an und saugt diese aus. Ich habe sie daher fristlos entlassen, was sie nicht daran hindert, bei uns Eier zu legen und unsere Beete und Beerensträucher als All-In-Buffet zu betrachten. Mehrmals täglich gehe ich raus, um sie abzusammeln.

Maulwurf und Marienkäfer

Frustriert frage ich: „Aber wer sind denn die Guten?“ Der Lieblingsmann bringt es auf den Punkt, besser gesagt, auf den Gepunkteten: „Der Marienkäfer ist der Mitarbeiter des Monats! Der frisst die Läuse.“ Ich gehe raus in den Gemüsegarten, um den Marienkäfern zu der Auszeichnung zu gratulieren, treffe aber auf 30 Grüne Reiswanzen, ehe mir der erste Marienkäfer unterkommt. „Wir müssen etwas an unserer Einstellungsstrategie ändern“, grüble ich. „Meinst du unsere Einstellung gegenüber Reiswanzen?“, fragt er. Ich finde das nicht lustig. „Nein, daran, wen wir hier einstellen!“, knurre ich.

Der Lieblingsmann weiß genau, wen wir suchen, welche Gärtner-Jobs ausgeschrieben werden müssen: „Marienkäfer, Regenwurm, Maulwurf ...“ „Wieso Maulwurf?“, unterbreche ich ihn und bekomme folgende Erklärung: „Der lockert die Erde, frisst aber, im Gegensatz zur Wühlmaus, nicht unser Gemüse an, sondern Engerlinge, junge Wühlmäuse und ähnliche Tiere.“ Mein Einwand kommt umgehend: „Aber heuer lockert er die Erde so motiviert, dass er dabei unser noch nicht reifes Gemüse ausgräbt, das will ich nicht.“

Der Lieblingsmann sagt: „Der Maulwurf soll ja auch nicht im Gemüsegarten, sondern in den Obstwiesen arbeiten.“ Ich frage: „Und wer erklärt ihm das bitte? Sprichst du Maulwurf?“ Darauf er: „Na ja, ich rede mit ihm.“ Nächste Mitarbeiterin des Monats könnte die Fledermaus werden. Denn die frisst den Apfelwickler.

Zur Autorin:

Birgit Braunrath betreibt mit ihrem Mann einen Bioobsthof im Südburgenland. Email: birgit@wunderbarestreuobstwiese.at

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