Schuh geht essen: Mord à la carte

Im "Beograd" ging es zu wie sonst nur in meiner Wiener Seele.
Franz Schuh

Franz Schuh

Gedenken möchte ich – und zwar meines letzten Restaurantaufenthalts, bevor Schluss war. Zu einem späten Essen ging ich – gegen 22 Uhr – ins „Beograd“, Schikanedergasse 7, 1040 Wien. Früher einmal war das Lokal ein Vorposten der literarischen Avantgarde von Wien. Im Beograd konnte man nach Mitternacht viele Stunden, wenn schon nicht als Literat, so doch als literarische Figur verbringen.

Der Alkoholrausch, so heißt es, ist dem Rausch der Kreativität verwandt, und zwar so lange, bis die erste Art von Rausch die zweite ganz und gar ersetzt. Der Ersatzkreative hat – bei Vorliegen einer Begabung, die er ja aus der kreativen Phase mitbringt – alle Chancen, eine literarische Figur zu werden; herumzutaumeln, zu kreischen, sich in Pose zu werfen und „Spießer“ eloquent anzustänkern.

Das „Beograd“ ist für mich eine Bühne, auf der die alten Stücke allerdings nicht mehr aufgeführt werden. Bei meinem letzten Besuch hatten Menschen aus Serbien im „Beograd“ ihren Auftritt, sie schmetterten – nach dem Essen – ihre herrlichen Lieder in den Weltenraum. Diese Lieder haben etwas Wellenförmiges, die Sänger surfen im Klange hinauf und hinunter, und bei aller Einfachheit der musikalischen Struktur vereint ihr Gesang Klage, Angst, Vitalität und Aggression, Sentimentalität und Brutalität. Im „Beograd“ ging es zu wie sonst nur in meiner Wiener Seele.

Diese Seele sehnt sich oft nach Djuvec-Reis sprich: „Dschuwetsch“-Reis. Das ist ein würziger, roter Reis mit Paprika und Erbsen, manchmal kommen noch Karotten oder Tomaten dazu. Wenn nur Reis dabei ist, esse ich alles, und mein Gott, jetzt fällt mir die Wiener Institution ein, in der ich meine erste Lebenserfahrung mit Djuvec-Reis machen durfte: das „Dubrovnik“ am Heumarkt, ein serbokroatisches Lokal, das einem in Wien am allerbesten den „Balkan“ vormachte und das eines Tages wie nichts verschwand.

Aber – bei dem schon angerufenen Gott – wir haben derzeit andere Sorgen als nostalgische Gefühle über geschlossene Lokale. „Schuh geht essen“, geht nicht. Was tue ich in der Quarantäne? Ich übe für mein Restaurantkritikertum und sehe alles im Fernsehen, was dieses berühmte Genre berührt, zum Beispiel: „Mord à la carte“ aus dem Jahr 1996, Altersfreigabe ab 12.

Das ist eine Folge aus der Kommissar-Rex-Reihe, und es ist unglaublich, wie blöd diese Filme einerseits sind und wie gut gespielt anderseits. Tobias Moretti als Hüter des Schäferhundes Rex hat die Leichtigkeit eines Luftgeistes bei Shakespeare. „Mord à la carte“ vertritt auch eine nützliche Ideologie: Das Drehbuch kämpft gegen Luxusrestaurants und für Würsteln und Wurstsemmel.

Im Luxusrestaurant, wo nichts als erpresst und gemordet wird, legt der unvergessene Fritz Muliar als „Agent Provocateur“, der in seiner Rolle sogar „Koch“ heißt, für Speisen und Getränke 6.300 Schilling ab. Währenddessen ist Rex auf Diät, vier Tage gibt ihm der Tierarzt noch, damit Rex sein Idealgewicht erreicht. Dann darf der Hund wieder ran an die Wurstsemmel.

Restaurant Beograd  
Schikanedergasse 7, 1040 Wien
Tel. 01/587 74 44, restaurant-beograd.at
Im Normalfall geöffnet: Dienstag und Mittwoch 18 bis 1 Uhr, Donnerstag bis Sonntag 12 bis 15  und 17 bis 1 Uhr

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