Frage:
Ich benötige Geld für mein Start-up. Derzeit sind die Bedingungen am Markt jedoch schwer. Ich bin in Gesprächen mit Investoren, allerdings weichen unsere Bewertungsvorstellungen derzeit zu sehr voneinander ab, um eine Finanzierungsrunde durchzuführen. Eine Investorin schlägt nun vor, ihr Investment über ein Wandeldarlehen vorzunehmen. Was kann ich mir darunter vorstellen?
Anna T., Graz
Antwort:
Wandeldarlehen sind typische Brückenfinanzierungen für Start-ups. Sie eignen sich vor allem für den kurz- bis mittelfristigen Finanzierungsbedarf. Bei einem Wandeldarlehen stellt die Investorin dem Start-up einen Darlehensbetrag zur Verfügung. Der Hauptunterschied zu einem gewöhnlichen Darlehen: Der Darlehensbetrag darf in gewissen Fällen in Anteile am Start-up „umgewandelt“ werden (z. B. sobald weitere Investoren im Rahmen einer Finanzierungsrunde einsteigen oder bei Fälligkeit des Darlehens).
Einer der Vorteile für das Start-up ist, dass die Investorin (zunächst) nur Darlehensgeberin ist. Sie erhält mit Unterzeichnung des Wandeldarlehensvertrags (noch) keine Anteile am Start-up und damit (noch) keine Gesellschafterstellung bzw. damit verbundenen Rechte. Das passiert erst, sollte es zu einer Wandlung kommen. Bei der Wandlung verzichtet die Wandeldarlehensgeberin auf ihren Rückzahlungsanspruch und wird dafür Mitgesellschafterin. Manche Wandeldarlehensgeber fordern mitunter auch schon für den Zeitraum vor einer Wandlung Einsichts- und/oder eingeschränkte Mitgestaltungsrechte (z. B. die Einrichtung eines Beirats). Bestehende Gesellschafter können natürlich ebenso Wandeldarlehen begeben (dann würde sich ihre Beteiligung im Fall der Wandlung erhöhen).
Wandeldarlehen können (im Rahmen der rechtlichen Schranken) weitgehend flexibel gestaltet werden. Die Parteien müssen sich bei Vertragsabschluss beispielsweise noch nicht unbedingt über die Bewertung des Start-ups einig sein.
Wann kann das von Vorteil sein? Die Bewertung ist grundsätzlich ausschlaggebend dafür, wie viele Anteile am Start-up Investoren für einen bestimmten Betrag erhalten sollen. Je höher die Bewertung, desto mehr müssen sie für einen Euro Stammkapital zahlen und desto weniger werden die Gründer in ihrer Beteiligungshöhe verwässert. Je niedriger die Bewertung, desto vorteilhafter fällt der Anteilspreis für die Investoren aus. Gerade wenn eine niedrigere Bewertung im Zeitpunkt der Darlehensvergabe im Raum steht, kann es Sinn ergeben, die Festsetzung der Bewertung zu vertagen und diese im Wandeldarlehensvertrag von zukünftigen Ereignissen abhängig zu machen (z. B. dem Preis, zu dem später einsteigende Investoren bei einer Finanzierungsrunde neue Anteile zeichnen). Die Wandeldarlehensgeberin wird regelmäßig im Gegenzug verlangen, dass sie ihre (künftigen) Anteile zu vorteilhafteren Konditionen als später einsteigende Investoren erhält. Schließlich investiert sie viel früher in das Start-up und trägt daher ein größeres Risiko. Oft werden zu diesem Zweck Abschläge auf den später festgelegten Anteilspreis vereinbart (z. B. ein 20%-iger Abschlag auf jenen Preis, den die späteren Investoren zahlen).
Mag. Patricia Backhausen, MSc ist Rechtsanwältin im Bereich M&A/Digital Industries bei DORDA
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