Rabinowich geht essen: Von Blut und Musik

Dieses Mal führte mich das Schicksal federleicht und geradewegs in "Die Allee", um dem schwächelnden Geist wieder auf die Beine zu helfen.

Rabinowich ging dieses Mal nicht nur essen, Rabinowich ging in die Kultur.

Und in sich. Die Kultur bedingte immerhin das In-Sich-Gehen, und das Essengehen gesellte sich ungefragt dazu, weil der Geist nicht alleine von Inspiration leben kann, sondern auch von diversen Handfestigkeiten. Die Kultur eröffnete sich als die furios schön gestaltete Oper Orlando von Olga Neuwirth: die Kostüme von Comme des Garcons, das Getuschel in den Logen, Klänge, die sogar eine ausgemachte Musikbanausin wie mich erreichten und überwältigten, das Bühnenbild: Es war überflutend und es war inspirierend und danach war ich nicht nur etwas ermattet, sondern auch überraschend hungrig, als hätte sich in mir das Vergeistigteste mit dem Körperlichen auf unerwartete Art und Weise gematcht und mit einem Unentschieden voneinander abgelassen.

Da Orlando durch die Jahrhunderte wandelt, beschloss ich passend dazu auch ein wenig Wanderung hinter mich zu bringen. Nicht durch die Zeit, sondern durch den Raum. Genauer durch die Prater Allee bis hin zu jenem Restaurant, das ein stilisiertes Kastanienblatt im Logo trägt und „Die Allee“ heißt. An das Lokal angeschlossen ist eine Bowling Halle, in der ich noch nie die Kugel rollen ließ. Vor dem Lokal dampft eine stilisierte Lokomotive – auch Smoker Station genannt, was keinesfalls Raucherecke bedeutet und auch nicht so interpretiert werden sollte –, in deren metallenem Bauch Fleisch, Käse und Kartoffeln geräuchert werden. Das ist jener Ort im Prater, zu dem mein Hund üblicherweise mit beschwingtem Schritt eilen will, sobald wir der Straßenbahn entsteigen, während derselbe Hund besorgniserregend zäh in die andere Richtung schleicht, falls man auf die irrige Idee kommt, mit ihm in die Hundezone und nicht ins Restaurant gehen zu wollen. Kurz: Ein Sinnbild des Willigen, den das Schicksal führt, während es den Unwilligen zerrt. Dieses Mal führte mich das Schicksal federleicht und geradewegs in Die Allee, um dem schwächelnden Geist wieder auf die Beine zu helfen. Die hübschen buntbezogenen Gartenmöbel waren schon eingewintert, der Außenbereich verlassen. Innen hingegen wartete eine vampirische Mahlzeit auf mich, denn nach dem Abstrakten, dem Feinen, dem kakofonisch Schönen wollte ich down to earth verwurzeln und wählte dafür Fleisch: dichtes, blutiges, intensiv würzig duftendes Filetsteak, medium rare, mit Portweinjus in der Farbskala von dunkelstem Blut und grünöliger Kräutermischung namens Chimichurri garniert. Der Fleischgenuss changierte irgendwo zwischen Steinzeit und Himmel. Echt, fest und butterweich zugleich und außen knusprig gegrillt. Es war geeignet, einen Blutrausch auszulösen, und um dieses zu verhindern, löschte ich ein wenig ab mit gegrillten Maiskolben und ebensolchem Gemüse, und damit das Ganze nicht zu gesund wurde, wuchteten sich noch Pommes mit Trüffelöl und Parmesanspänen dazu. Das war alles hervorragend, passte aber irgendwie nicht ganz zusammen und bildete damit ein perfektes Spiegelbild zu der Oper, in der dasselbe Überborden den Reiz der Wahrnehmung ausgemacht hatte. Falls also jemand wissen möchte, wie man Geist und Körper in perfektes Equilibrium bringen soll: genau so. Und nicht anders.

Die Allee
Hauptallee 124, 1020 Wien
Tel. 01/25 209, dieallee.at, geöffnet Mo.–Mi. 14–23 Uhr (Küche 15–22), Do. 10–23 Uhr (12–22), Fr./Sa./ vor Feiertag 10–1 Uhr (12–22.30), So./Feiertag 9–22 Uhr (12–21)

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