Paaradox: Zeigt her eure Schuh’
SIE
Breaking news: Der Mann nebenan hat neue Schuhe gekauft. Stimmt, das allein macht noch keine Kolumne und ist so wurscht wie dieser Reissack, der in China umfällt. Doch da passiert Folgendes: Er kommt heim, räumt die alten Schuhe aus dem Kastl, und die neuen Schuhe ins Kastl. Dann liest er ein Buch, während ich auf dem Weg durch die Wohnung über einen kleinen Bock-Berg stolpern darf, von dem er sagt, er würde sich später darum kümmern.
Nostalgisch-sensibel
Kümmern? Ja genau. Heißt, dass er die alten Schuhe in ein anderes Kastl übersiedelt, wo schon eine Schicht entsorgter Hatscher aus dem Vorvorvorjahr vor sich hindämmert und darunter 90er-Jahr-Modelle auf den Prinz warten, der sie wachküsst. Wenn ich nachfrage, wozu der Konservierungsprozess gut sei, sagt er: Weil ich die anziehe, wenn ich was im Garten arbeite. Nur, weil das sehr, sehr böse ist, antworte ich nicht: Na, für das halbe Mal pro Jahr werden es die Schlapferln auch tun… Stattdessen mache ihn auf die sieben zerrissenen Paar Sportschuhe aufmerksam, die ein ganzes Kellerregal füllen: Die kannst aber wirklich einmal wegschmeißen, oder? Da schaut er, als hätte ich vor, ihm das Herz aus dem Leib zu reißen: entsorgen. Es ist der Moment, wo ich ihn tatsächlich ein bisschen verstehe. Dann gehe ich in unseren Keller und krame eine großen Geheim-Kiste hervor, in dem ich unter anderen einen Liebesbrief an mich aus dem Jahr 1972 finde: „Du biest das schönste Medchen der Weld.“ Wegschmeißen? Geht nicht. Er duftet so herrlich nach einer Zeit, in der die Liebe noch nach Papier roch und nicht nach einer WhatsApp.
PAARADOX NEU: 29. 3. Bad Fischau, 1., 12. & 19. 5. Rabenhof, 23. 5, Stadtgalerie Mödling. Alle Termine: paaradox.at
Facebook: gabriele.kuhnfacebook.com/GabrieleKuhn60
ER
Mitunter denke ich mir: Ist die Frau nebenan noch bei Sinnen? Denn ehrlich: Dass ausgerechnet sie erwähnt, ich könnte mich von Schuhen nicht trennen, ist an Absurdität kaum zu überbieten. Wahr ist erstens, dass ich mir wirklich stets ein altes Latschen-Paar aufhebe, um darin niedere Dienste zu verrichten. Wahr ist zweitens, dass im Keller ein Paar Sportschuhe (also um sechs Paare weniger als gnä Kuhn behauptet) gelagert ist, mit dem ich eine spezielle Melancholie verbinde ... aber die Geschichte erspare ich der Leserschaft, der Hohn meiner Frau genügt vollkommen. Wahr ist drittens, und jetzt kommt’s: Ich bin als Mann, der sich wie alle anderen Menschen unserer Gesellschaft der Notwendigkeit des Bekleidens unterwerfen muss, in der gemeinsamen Wohnung der Prototyp des Bittstellers.
Zaghafte Frage
Heißt: Ich muss im Sinne der Modeaufbewahrung für jede Kommodenlade, jedes Kastenregal, jedes Schrankfach ein eheliches Gesuch (inklusive bestechender Argumentation) einbringen. Um nach zahlreichen Interventionen ihrerseits („Brauchst du echt so viele Socken?“) mit Müh’ und Not den kuhn’schen Platzerl-Sanktus zu erhalten. Aber wehe, ich
wage es, zaghaft die Frage zu stellen, ob es in Anbetracht der prozentuellen 90:10-Verteilung in unseren Schuhkästen nicht allenfalls Reformbedarf gäbe: „Schatz, so ein 85:15 würde mir schon sehr helfen.“ Dieser Blick!!! Dann bringt die Liebste den Keller als Depot für „Schuhe, die eh nicht so oft getragen werden“ ins Spiel . Das Problem: Sie meint damit niemals ihre eigenen. Aber das passt schon so. Es hat eben seinen Preis, „das schönste Medchen der Weld“ zu bleiben.
Solo „Abend mit einem Mannsbild“: 18. 5. Gmunden (Stadttheater), 21. 5. Wien (CasaNova), 12. 6. Wien (Studio Akzent).
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