Paaradox: Gemeinsam verschnupft
SIE
Na gut, dann sind wir jetzt beide krank. Wobei sich die Frage stellt: Wer von uns ist kränker? Er, der bereits seit Tagen an Männerschnupfen laboriert und den Guinness-Weltrekord im Dauerniesen bricht? Oder ich, die mit fünf Decken, zwei paar Skisocken, zwei Fleece-Pullis, fünf Liter Ingwer-Zitronen-Geschlabber und acht verschiedenen Sorten Nasenspray versuche, den Viren Paroli zu bieten?
Taschentuch-Gebirgsketten
Wurscht. Der Mann nebenan ist sowieso fix davon überzeugt, dass mein Schnupfen nicht ansatzweise so schlimm wie seiner sei. „Aha“, sage ich. Und frage nach, woran er das konkret merken würde. „Am Taschentuchverbrauch“, meint er, „du schnäuzt dich kaum.“ Nun, das hat wohl damit zu tun, dass ich die verseuchten Dinger sofort nach Gebrauch entsorge und nicht – so wie er – ganze Taschentuch-Gebirgszüge quer durch die Wohnung baue. „Dafür stinkt jetzt alles nach Spital“, beklagt der Sieche. „Das ist eine Latschenkiefer-Eukalyptus-Grapefruit-Duftöl-Mischung“, kläre ich auf , „die tut uns beiden gut.“ Er meint, dass er stattdessen lieber Rindsuppe riechen würde, die irgendwer von uns machen könne. Mit „irgendwer“ meint er den Dolm, der trotz erhöhter Temperatur losziehen wird, um Suppenzutaten zu kaufen – also mich. Nach der Suppe ist vor der Suppe, er ächzt: „Mir ist heiß, ich bin schlapp, ich geh ins Bett.“ Da liegen wir dann, Seite an Seite, halten mikrobiell verseuchte Händchen und sind uns auf kränkelnde Weise einig. Wir plaudern über Nasensprays, teilen den Thermophor und die eine oder andere Kanne Tee. So romantisch. Und wer weiß? Vielleicht gewinnen wir sogar die Meisterschaft im Synchronschnäuzen.
PAARADOX NEU: 15. 3. Bruno, 16. 3. Kottingbrunn, 22. 3. Bühne im Hof, St. Pölten, 29. 3. Bad Fischau. Alle Termine: paaradox.at
ER
Der Importeur eines ungewöhnlich heftigen Schnupfens war in diesem Fall ich. Und in so einem Moment überlege ich immer, was mich mehr quält: Die Niesattacken, die verstopfte Nase, der Schmerz in Kopf, Augen, Hals und Ohren? Oder die Nervosität meiner Frau, mit gelegentlich spürbaren Hysterie-Tendenzen, die sich vor einer Ansteckung fürchtet. Weil, eine Verkühlung könne sie bitte jetzt gerade echt gar nicht brauchen (im Unterschied zu mir, dem so ein körperliches Elend natürlich immerzu willkommen ist). Also ist gnä Kuhn von früh bis spät mit Belehrungen beschäftigt. „Kannst du bitte in einen anderen Raum gehen, wenn du niest?“, sagt sie dann betont distanziert. Oder: „Wäscht du dir eh so oft wie möglich die Hände?“ Oder: „Wenn du auf die Türklinken greifst, und die Tastatur und den Geschirrspüler, dann wisch’ nachher unbedingt alles ab.“ Gefühlsmäßig wäre es ihr am liebsten, mich mit dem ersten Kitzeln in der Nase in den Keller zu übersiedeln, um mich via Wäscheschacht mit allem Notwendigen zum Leben zu versorgen.“ Hauptsache, sie bleibt verschont.
Harmonie
Interessant ist, dass sie auch nach so vielen gemeinsamen Jahren nicht akzeptieren will, dass ihr Alarmismus die Ansteckung noch nie verhindert hat. Auch diesmal dauerte es lediglich zwei Tage, ehe aus ihrem „Ich kämpfe“ ein „Maaah, jetzt hast du mir alles umgehängt“ wird. Was bedeutet, dass sich zu meinem schlechter Zustand auch noch ein schlechtes Gewissen gesellen sollte. Allerdings fehlt mir dazu die Kraft. Also teilen wir in vertrauter Harmonie unser Schnupfen-Schicksal. Und ich gebe der Liebsten das Gefühl, dass ihr Leid fast so dramatisch ist wie meines. Ja, auch das ist Liebe.
Solo „Abend mit einem Mannsbild“: 18. 5. Gmunden (Stadttheater), 21. 5. Wien (CasaNova)
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