Paaradox: Geputzt und gerührt
SIE
Besser kann es heuer nicht mehr werden, finde ich – und das lag diesmal ausschließlich am Mann gegenüber, der für Überraschung sorgte. Der Reihe nach: Wie vergangene Woche an dieser Stelle erwähnt, lud er mich zum „Dinner-for-two“ ein. Nicht in ein Restaurant, sondern zu sich in seine Wohnhöhle – in die kaum jemand darf, außer Ameisen und einige wenige Menschen seines Vertrauens. Und es ist insofern eine Ehre, am Wochenende von ihm bekocht zu werden, als es Bedeutenderes zu tun gäbe. Ich sage nur: Der Ball ist rund, das Bier muss fließen.
Legendär
Doch zurück an Meisters Herd, in dessen Rohr, wie er mir spätnachmittags verriet, überbackene Schinkenfleckerl brutzeln würden. Nicht ohne erneut zu betonen, dass es sich dabei um die besten Schinkenfleckerl der Welt handelt, zubereitet von einer Schinkenfleckerl-Legende, über dessen Geheimrezept vermutlich noch Jahrhunderte später Kulinariker brüten werden, um es zu entschlüsseln. Was er ebenfalls betonte: Wie erschöpft er sich fühlte. Und zwar nicht, wie ich erfuhr, wegen des hochkomplexen Schinkenfleckerlzubereitungs-Procederes, sondern weil er beschlossen hatte, die Wohnung einer allumfassenden Generalreinigung zu unterziehen, O-Ton: Ich putze regelmäßig, aber heute habe ich auch Bett, Sofa, Kästen weggeschoben, abgestaubt wie der Teufel, Badewanne und Klo geschrubbt usw. Ui. Ich zögerte kurz, dann schrieb ich ihm per WhatsApp: „Hm. Nehmen wir das Amuse gueule in der Badewanne und die Hauptspeise dann unterm Sofa ein?“. Er: Nein, natürlich nicht. Aber dein Besuch schien mir Anlass für einen Großputz. Ich muss ehrlich gestehen, dass mich das sehr berührt hat, wobei sich die Tiefenpsychologin in mir auch den Kopf zerbrach, was mir der Saubermann mit seinem unerwarteten Sinn für geordnete Verhältnisse sagen wollte. Egal: Zum Dank brachte ich ihm ein außergewöhnliches Geschenk mit – davon erzähle ich nächste Woche.
gabriele.kuhn@kurier.at / facebook.com/GabrieleKuhn60
ER
Ich mag es zusammengeräumt und geputzt. So betrachtet erscheint mir mein Domizil durchaus repräsentativ. Mitunter fehlt mir allerdings das Auge für Details. Meiner Frau leider nicht. Und so erinnere ich mich an ihren letzten Besuch. „Komm’ doch auf ein Achtel vorbei“, sagte ich. Und nicht: „Schatzi, magst vielleicht ein bisserl meine Wohnung inspizieren?“ Nun, es ist nicht so, dass die Sauberfrau meines Herzens mit einer Checkliste und strengen Blicken die Räume durchschreitet und erhobenen Zeigefingers To-dos formuliert. Wie einst der Vizeleutnant in der Kaserne, der mit Vorliebe den Faltenwurf der Bettdecke, unbündig gestapelte Uniformhemden und nicht ordnungsgemäß parallel positionierte Feldschuhe beanstandet und daher als Disziplinierungsmaßnahme leidenschaftlich den Spind gekippt hatte – bis alles am Boden lag, als Lehre (wofür auch immer). Nein, Leutnant Kuhn war in fröhlicher Veltliner-Laune und spazierte scheinbar gelassen Richtung Weinglas.
Blinde Flecken
Aber es ist die Beiläufigkeit, die ich als echtes Phänomen erachte. Heißt: Die Frau vermag gefühlt in Bruchteilen von Sekunden ein Gesamtbild in tausend kleine Ordnungspixel zu zerlegen und meine blinden Flecken auszumachen. Dann sagt sie lächelnd: Die Stereoanlage gehört auch einmal abgestaubt. Oder: Wie oft gießt du eigentlich das Drachenbäumchen? Oder: Ich putze ja auch immer wieder die Fliesenfugen. Was nix anderes bedeutet als ein zarter Hinweis darauf, dass ich ihrem guten Beispiel folgen sollte. Deshalb habe ich für das gemeinsame Dinner stundenlang schwitzend Tabula rasa gemacht. Um einen würdevollen Schinkenfleckerlrahmen zu schaffen und quasi in innerer Habt-Acht-Haltung der kuhn’schen Einschätzung zu harren. Und prompt rief sie: Wow, Respekt, Meister Proper! Um sofort hinzuzufügen: Magst nicht bei mir auch einmal fleißiges Akribienchen sein? Tja, eine schönere Liebeserklärung hätte sie mir nicht machen können.
michael.hufnagl@kurier.at / facebook.com/michael.hufnagl9
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