„Duuhuu, es ist was passiert“

„Duuhuu, es ist was passiert“
Geständnis: Schuldgefühle lauern überall – kleine Missgeschicke mit großer Wirkung.
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Michael Hufnagl

Michael Hufnagl

Sie

Vor vielen Jahren  hatte ich einen Rauhaardackel. Dieser Lauser namens Pauli war geradezu perfekt darin, mich um die Pfote zu wickeln. Immer wenn er etwas getan hatte, das er nicht tun hätte sollen, spulte er ein fein abgestimmtes Anti-Eskalations-Programm runter. Er kam angekrochen, machte sich klein, setzte sein Best-of-Dackelblicke auf, stupste und tat sehr arm. Dann schnuffelte er an meinen Zehen. Dahinter kugelte der zerbissene Schuh herum. Oder ein völlig zerfetztes Handtuch.

Alarm, Alarm!

Ersetzen Sie den Namen „Pauli“ mit „Mann nebenan“ und voilà: Willkommen, in meinem Leben. Auch er ist Meister der präventiven Defensive. Aber ich habe gelernt, ihn zu lesen. Ich weiß  immer, dass irgendwas nicht stimmt, wenn er:
 – Schatzi  haucht, mit einem schmierigen Unterton und Betonung auf das i. Attenzione: Alarmsignal Nr. 1.
– Alarmsignal Nr. 2 ist dieser eigenartige Blick, irgendwo zwischen Eichhörnchen, Hamster und Jungstier. Sein Versuch, das  Kindchenschema strategisch einzusetzen. Motto: Ich bin klein, mein Herz ist rein. Wer’s  glaubt.
– Und dann so eine seltsame Über-Beflissenheit, ein einziges Hasi hin und Hasi her, was kann ich für dich tun, wie kann ich dich verwöhnen? Hui, da heißt es  aufpassen.
– Ein weiteres Indiz für allerlei Brösel sind Ablenkungsversuche im Stile von: Du, wir könnten heute supertotalgerne einen romantischen Film schauen und ich kraule dich die ganze Zeit. Wenn er das sagt, sage ich nur: „Stopp. Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast. Und vorgestern.“

Wie Sie sehen,  alles kaum anders als bei Dackel Pauli.  Nur die Zehenschnuffel-Nummer, die hat er bisher ausgelassen. Und dafür bin ich ihm dann doch sehr dankbar. 

gabriele.kuhn@kurier.at

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Er

Es ist echt nicht viel Rasen, der zu mähen ist. Aber diese scheinbar kleine Herausforderung unfallfrei zu bewältigen, ist nur Großmeistern der Gartenkosmetik vergönnt. Was daran liegt, dass meine Frau einst bei einem Kleinversand sogenannte Wildblumen bestellt hat. Und diese wurden von zarter Pflanzhand mit expressionistischer Freizügigkeit  eingesetzt und begegnen mir seitdem an allen Ecken und Enden als natürliche Widerstandskämpfer gegen Grashalmabbau. Da kann es im Zuge schnittiger Umrundungsmanöver schon passieren, dass ich so ein Blümlein mähenden Auges aus dem Leben reiße. Doch leider hatte die Taktik des Schweigens (und die Idee, dass der Verlust eines blühenden Individuums nicht auffällt) keinen Erfolg. Bald stellte die Liebste eine Frage ans Universum: „Wo ist denn der Kriechende Günsel?“ Ich: „Bitte wer?“ Sie: „Na, diese schöne, violette Blume.“ Ich: „Ah, die ... hm ... hat’s nicht geschafft.“ Eine wenig gelungene  Ablebensnachricht.

Königskerze

Denn es setzte ein Kuhn’sches Lamento über fehlende Achtsamkeit für die Seele eines Gartens ein, dass ich mich geistig schon vor dem Scheidungsrichter brüllen sah: „Königskerze, Hirschzunge und Frauenfarn haben ihr doch immer mehr bedeutet als mein heroischer Einsatz als Mäher vom Dienst.“ Und genau diese Episode fiel mir ein, als ich versehentlich unseren Waldengelwurz in ca. tausend Waldengelwurzteile zerschnetzelte. Da wusste ich augenblicklich, was zu tun ist. Schritt 1: Mutige Selbstanzeige. Schritt 2: Demütiger Blick. Schritt 3: Sprachliche Sanftmut.  Abends saßen wir vor dem Fernseher und sahen einen französischen Liebesfilm statt RusslandÄgypten. Große Gesten sind mein Spezialgebiet.

Nächste Paaradox-Lesung: 30. Juni in Leobersdorf


michael.hufnagl@kurier.at

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